Visualisierung chemischer Prozesse mittels Einzelmolekül-Fluoreszenz-Mikroskopie
[article]
Johannes Augustin Menges, Universität Des Saarlandes
2021
Chemische Systeme werden aus Milliarden einzelner Reaktionsereignisse mit oft komplexen molekularen Zusammenhängen gebildet. Mit einem über das Gesamtsystem gemittelten Signal können überlagerte, heterogene Prozesse übersehen werden. In der Einzelmolekülchemie (single-molecule chemistry -SMC) werden Reaktionsprozesse mikroskopisch betrachtet und einzelne Ereignisse miteinander verglichen. So werden zusätzlich zu gemittelten kinetischen Parametern, mechanistische Subspezies, z.B. seltene
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... iate, und kinetische Verteilungen aufgedeckt. Die vorliegende Arbeit schlägt die Brücke von der experimentellen Planung, der Probenvorbereitung bis hin zur Ausführung und Datenauswertung eines Einzelmolekülversuchs anhand eines metallorganischen Reaktionssystems. Zunächst wurde ein Prismen-basiertes internes Totalreflexionsfluoreszenzmikroskop (TIRFM) für Einzelmolekül-(SM-)Experimente konzipiert und validiert. Anschließend wurde eine Probenvorbereitungsroutine etabliert, mit welcher immobile Sensoren homogener Reaktivität, vergleichbar zu Sensoren in Lösung, generiert werden konnten. Die Pd-katalysierte Tsuji-Trost Deallylierung wurde an den eingeführten dual-emissiven Sensoren im Ensemble und im SM-Experiment studiert. Aus den erhaltenen Daten wurden anhand automatischer Auswertungsroutinen einzelne Reaktionsschritte und deren Kinetiken extrahiert. Dabei konnte die Bildung eines kurzlebigen Intermediats der Katalyse aufgedeckt werden, welches unter Ensemblebedingungen verborgen blieb. Reaktion von Wasserstoffgas und Pd-Katalysator bis zur Generierung der Pd-hydrid-spezies, sechs verschiedene Mechanismen aufgezeigt. Die Kenntnis über die gesamten Reaktionsprozesse kann signifikant für die Optimierung einer Reaktion sein [11] . Zu beachten ist dabei, dass kurzlebige Intermediate, welche zudem noch als Subspezies vorliegen könnten, durch die Mittelung von Ensembledaten des gesamten Systems versteckt bleiben können [12] . Es ist anspruchsvoll den Einfluss vorgelagerter chemischer Gleichgewichte zu ermitteln. Diese haben aber das Potential, versteckte Heterogenitäten der Reaktionskinetiken hervorzurufen [13,14] . Hier ist das Problem, dass es mit den Methoden der klassischen Chemie nicht möglich ist, die Stadien einzelner Moleküle in einem dynamischen chemischen System nachzuvollziehen. Simulationen, welche über die Mittelung der zu erwarteten Teilschritte hinausgeht, sind ebenfalls eher die Ausnahme [15] . Aus diesem Grund werden mit der Abbildung 1: a) Schema dual-emissiver Sensoren in einer chemischen Reaktion mit hypsochromer Verschiebung der Emissionswellenlänge mit drei unterschiedlichen Entwicklungen; b)d) zugehörige SM-Trajektorien b) mit einem intermediären Zustand, c) mit direkter Konversion, d) mit Photobleichen (Auszug übernommen aus [ 20 ] ). es dabei auch, Gleichgewichte unterschiedlich katalytisch aktiver Spezies [30] zu erkennen. Es kann außerdem ermittelt werden, an welchem Ort Schlüsselintermediate einer Reaktion auftreten [11,31] . Trotz des Potentials der SMC sind in der homogenen Katalyse praktisch noch nicht viele Experimente zu diesen Fragestellungen durchgeführt worden [32,33] . Dies liegt hauptsächlich an den Herausforderungen, welche an Einzelmoleküluntersuchungen geknüpft sind. Zunächst wird ein experimentelles Setup benötigt, welches über die Sensitivität verfügt, einzelne Moleküle darzustellen [18,34,35] . Hier werden hauptsächlich fluoreszenzmikroskopische Aufbauten verwendet. Die technische Implementierung von Reaktionsgefäßen, wie mikrofluidischen Geräten kann ebenfalls anspruchsvoll sein [36,37] . Weiterhin werden die Sensoren benötigt, welche ein hohes und langlebiges Signal bieten und spezifisch auf die zu untersuchende Reaktion sind [24,38] . Für das SM-Experiment müssen dann geeignete Konzentrationen gefunden werden, um eine Verteilung einzelner Moleküle sicherzustellen [39,40] . Diese liegen gewöhnlich im Bereich von nM bis pM [41] . Die Sensoren müssen außerdem für eine Beobachtung über eine längere Zeit oftmals immobilisiert werden. Unter diesen Bedingungen sollen die chemischen Charakteristika der Sensoren sowie das gesamte chemische System mit Ensemblewerten vergleichbar bleiben [42,43] . Letztlich werden aussagekräftige und vergleichbare Auswertungsroutinen der erhaltenen Daten benötigt [44] . 1.1.1 Vorteile der Fluoreszenzdetektion Eine Strategie, um individuelle Moleküle in Lösung oder anderen, auch komplexeren Systemen zu verfolgen, erfolgt über optische Spektroskopie. Das physikalische Funktionsprinzip der Lichttransmissions-Spektroskopie ist zunächst folgendes: Ein Signal , welches von der Kamera oder dem menschlichen Auge detektiert entspricht dem durch eine Struktur oder eine Substanz absorbierten Licht. Die Amplitude dieses Signals ist also in folgender Weise abhängig von der Differenz ∆ zwischen dem transmittierten Licht und der Ausgangsintensität 0 , ∝ ∆ . Das Rauschen ist dabei immer abhängig von der gesamten Intensität des transmittierten Lichts ∝ √ . Wird die zu untersuchende Substanz verringert, wird ∆ abgeschwächt. Dabei wird schnell klar, dass bei sehr kleinen ∆ → 0 das Rauschen trotzdem 7 konstant bleibt. Je nach Belichtung kann also das Rauschen nach ∝ √ ≫ ∆ schnell größer als das zu detektierende Signal werden [51,52] . Die Detektion einzelner Moleküle ist hierdurch stark erschwert, jedoch unter bestimmten Voraussetzungen nicht unmöglich [53,54] . Abhilfe schafft nun die Fluoreszenzspektroskopie [55] . Als Fluoreszenz wird die spontane Emission eines Photons nach optischer Anregung eines Chromophors beschrieben. Zwei Faktoren bedingen dabei die besondere Eignung der Fluoreszenz zur Detektion einzelner Moleküle. Erstens zeigt diese Resonanz eine hohe Spezifizität, da nur wenige Substanzen oder auch Farbstoffe eine nennbare Quantenausbeute besitzen, d.h. eine ausreichend hohe Wahrscheinlichkeit zur Emission eines Photons durch Fluoreszenz aufweisen. Ebenfalls sind Resonanzen im sichtbaren Wellenlängenbereich durch andere Effekte, wie der Raman-Streuung, in ihrer Amplitude relativ gering. Zweitens kann das Emissionslicht durch die sog. Stokes-Verschiebung leicht spektral vom Anregungslicht getrennt werden. Das hier detektierte Signal entspricht der Gesamtintensität des emittierten Lichtes, bzw. der Anzahl der detektierten Phononen der zu beobachtenden Farbstoffe, ∝ . Das Rauschen ist ebenfalls von dieser Intensität abhängig ∝ √ . Als Konsequenz folgt daraus, dass das Rauschen bei fehlendem Emissionslicht → 0 zumindest theoretisch auch wegfällt. In der Praxis werden zwar die zuvor erwähnte Raman-Streuung des Anregungslichts und Autofluoreszenz aus verschiedenen Quellen, sowie das eigene Rauschen der Detektoren zum gesamten Rauschen addiert, dennoch ist die Detektion einzelner Moleküle mit Fluoreszenzspektroskopie gut umsetzbar [56-59] . 1.1.2 Aspekte zur Mikroskopie Seit einigen Jahrhunderten hat sich die optische Mikroskopie als breit verfügbare bildgebende Methode etabliert, da mit relativ einfachen Werkzeugen schon hohe Auflösungen erreicht werden. Ebenso können hier Proben unter Standardbedingungen in einer Vielzahl von Medien untersucht werden. Sollen nun einzelne Moleküle detektiert werden (Single-Molecule Detection -SMD), müssen sie entweder räumlich oder ihre Emission zeitlich voneinander getrennt werden [21,56] . Hierbei ist zu beachten, dass für die laterale Auflösung durch optische Mikroskopie zunächst eine fundamentale Barriere existiert: die Beugungsbegrenzung. Aus diesem physikalischen Limit ergibt sich nach Ernst Abbe bei der Aufnahme eines fluoreszenten Moleküls eine punktförmige Abbildung mit einem Durchmesser d nach Gleichung (1) [58] . Abbildung 2: a) Emissionsprofil eines einzelnen BODIPY-Moleküls in PMMA eingebettet (λAnr = 488 nm bei 35 W/cm 2 , t = 500 ms); b) Beispiele von Molekülanordnungen, links: mit getrennten PSF, rechts: mit sich überlagernden PSF (übernommen aus [ 6 1] ); c) oben: die gleichzeitige Aufnahme einzelner Emitter, gebunden an eine feste Struktur ergibt ein schwammiges Abbild der überlagerten PSF, unten: zeitlich getrennte Aufnahme der Moleküle ermöglicht die Bestimmung ihrer Positionen und damit eine Rekonstruktion der Struktur (Prinzip der hochauflösenden Mikroskopie) . So ist es möglich, einen scheinbaren Stokes-Verschiebung von über 100 nm zu generieren. Abbildung 7: a) Schema der ESPT-relevanten Übergänge und Protonentransfergleichgewichte; b) Zugehörige Spektren einer Photosäure [ 1 3 3] in Wasser bei verschiedenen pH-Werten, violett, cyan: Anregungsspektren mit sichtbarem Gleichgewicht im Grundzustand, grün: Emissionsspektren, bedingt durch ESPT (hell, durchgezogen) oder Emission des freien Anions (dunkel, gestichelt). Abbildung VI: 3-dimensionale Emissionsspektren der Photosäuren a) 1a (pKs* = -1.0); b) 1c (pKs* = -2.7) und c) 1d (pKs* = -3.9) in mit TFA angesäuertem TBPO und d) 1a e) 1c und f) 1d in mit TFA angesäuertem DBSO. Anregungsspektrum zeigt hauptsächlich die protonierte Spezies bei λAnr = 436 nm. Mit dem Farbstoff 1d in TBPO konnte ein ähnlicher Effekt beobachtet werden. Eine stark überlagerte Emission mit scheinbar ebenfalls drei Emissionsbanden bei etwa λEm = 480 nm, λEm = 545 nm und λEm = 580 nm wurde hier aufgenommen. 3-dimensionale Fluoreszenzspektren der Farbstoffe 1a, 1c und 1d in angesäuertem Dibutylsulfoxid (DBSO) (Abb. VI) zeigen einen Photochemistry, Jena, 2016.
doi:10.22028/d291-33518
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