General-Anzeiger für Halle und den Saalkreis ; 4. Jg. - 69 (22.3.1892) Beilage
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(:Unkn) Unknown, Universitäts- Und Landesbibliothek Sachsen-Anhalt, Martin-Luther Universität
2022
Beim Kind lat erörtert der s eſung des Etats for Abg Frhr von Wackerbarth konſ den Fall Buſchoff Kantener Knabenmord Es könne über len Mißgriffe in der Vorunterſuchung hinweggeſehen werden Aber wir haben bei dieſen Falle zuerſt geſehen daß das geſammte jüdiſche Volk uns ge ſchloſſen entgegengetreten iſt nur weil die Möglichkeit vorliegt daß einer der Jhrigen als Thäter nachgewieſen wird Es ſei erwieſen daß dem Knaben das Blut entzogen worden iſt wo iſt das Blut geblieben Während in dem Falle
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... choff die Freilaſſung des Verdächtigen er folgte hat man kürzlich einen aus China hierher zurückgekehrten Kaufmann deſſen Abſicht hier zu bleiben nicht zu bezweifeln war wegen Fluchtverdachts verhaftet Dieſe Verſchiedenheit in der Rechts n iſt auffällig Redner erörtert ſodann die Frage des ordes auf Korfu und verlieſt ein Schreiben des Bürgermeiſters von Korfu welcher beſtätigt daß die Ausführungen des jüdiſchen Redners Rickert Große Heiterkeit nicht zutreffend ſeien Aus Citaten kirchlicher Autoren ſucht Redner nachzuweiſen daß ein Blut Ritus bei den Juden beſtehe und nach Anſicht religiöſer Autoritäten bis in die neueſte Zeit fortgeführt iſt Es ſei auch auffällig daß 70 80 Fälle von ſolchen Ritualmorden um die jüdiſche Oſterzeit geſchehen ſind Gegenüber der Ueberhandnahme des Judenthums das immer mehr Kapital und Beſitz an ſich reißt ſei es nöthig gegen dieſes Vordringen zu reagiren Juſtizminiſter v Schelling verſteht nicht die Anregung des Falles Buſchoff die Sache befinde ſich in der Schwebe und es hieße der Unabhängigkeit der Richter zu nahe treten wenn ihrer Entſcheidung vorgegriffen würde Richtig zu ſtellen iſt nur noch die Behauptung daß der Berliner Kriminalkommiſſar Geld von der Synagogengemeinde erhalten habe Das iſt unrichtig Die Synagogengemeinde hat dem Miniſter des Jnnern die Mittel zur Verfügung geſtellt damit er die Ermittelung des Thäters veranlaſſe Abg Lehmann ECtr erachtet das Vorgehen das Abg v Wacker barth als nicht zweckmäßig Das Volk habe Vertrauen zu ſeinen Richtern es ſei ein bedenkliches Ding in dieſer Weiſe an dem Anſehen der Richter zu rütteln Abg Stöcker konſ proteſtirt dagegen daß man für die Richter eine gewiſſermaßen ſakraſankte Stellung in Anſpruch nimmt Die Richter unterliegen der öffentlichen Kritik ebenſo wie jeder andere Beamte Redner erwähnte der Fälle des Amtsrichter Fronagker und der Verhandlung des Prozeſſes gegen einen freiſinnigen Redakteur wegen Beleidigung des Abg Stöcker wo augenſcheinlich ſeltſame Dinge zu Gunſten jüdiſcher Jntereſſen vorgekommen ſind Ganz unſchuldige kleine Notizen in einer Zeitung ſobald ſie Juden betreffen werden vom Staatsanwalt amtlich verfolgt wenn dieſe Notizen angeblich Be leidigungen enthalten Man erkläre doch alle dieſe Fälle Geh Rath Lukas erörtert den Fall Karſch Es handle ſich um einen Mann der ſchlimme Beleidigungen gegen deutſche Behörden er hoben hat und in Deutſchland ein Domizil nicht hatte Es lag Flucht verdacht vor der erſt wegfiel als Karſch eine Kaution von 10 000 M ſtellte worauf er aus der Haft entlaſſen iſt Gegen den Vorwurf der Parteilichkeit gegenüber den Richtern müſſe Verwahrung eingelegt werden Der zuletzt vom Abg Stöcker erwähnte Fall einer vom Staatsanwalt verfolgten Beleidigung werde vermuthlich eine ſehr harm loſe Erklärung finden Abg Dr Enneccerus natlib bedauert die Ausführungen der Abgg Stöcker und Wackerbarth wodurch die Grundlagen des Rechts bewußtſeins unferes Volkes erſchüttert werden und die gänzlich un begründete Vermuthung daß Juden bei der Juſtiz günſtiger behandelt werden als andere Leute Abg Rickert freiſ iſt erfreut die Rede des Abg Wackerbarth von dem Beiſall der geſammten konſervativen Partei begleitet zu ſehen Herrn Stöckers Stern iſt im Erbleichen und wird überſtrahlt von der aufgehenden Sonne des Herrn v Wackerbarth Die Herren ſäen eine gefährliche Saat und mögen ſich nicht wundern wenn ſie ſelbſt unter den Folgen am ſchwerſten zu leiden haben werden Es ſei unglaublich daß das preußiſche Abgeordnetenhaus ſich mit dem albernen Märchen von den Ritualmorden beſchäftigen ſolle Die große konſervative Partei möge es einmal mit Judenfrage und Volksſchulgeſetz als Programm rer als ur ißig ätzt and die uch zu bei den nächſten Wahlen vor dem Lande verſuchen mgen Miniſter des Jnnern Herrfurth legt dar daß die Ausgaben für Berliner Kriminalbeamte aus den etatsmäßig für Berlin bewilligten Mitteln gemacht werden Die Synagogengemeinde in Xanten habe die Mittel offerirt um die Ermittelung des Mörders zu ermöglichen Darauf iſt die Entfendung eines Kriminalkommiſſars erſolgt für den ſpäter mit Rückſicht auf die Beſonderheit des Falles erhöhte Diäten mit meiner Bewilligung gezahlt ſind Abg Simon v Zaſtrow Ekonſ beanſprucht allerdings das Recht auch die Juriſten hier im Hauſe anzugreifen wir hoffen daß unſere Juſtiz rein und unantaſtbar aus dieſen Angriffen hervorgehen wird Die Stellungnahme der konſervativen Partei zur Judenfrage wird ſtattfinden wenn es uns gefällt nicht wenn es Herrn Rickert gefällt Abg Dr Virchow freiſ geht auf die Verhandlung des Prozeſſes wegen Beleidigung des Abg Stöcker ein an welchem feſtgeſtellt iſt daß der Zeuge Stöcker ſich bewußt mit der Wahrheit in Konflikt ſetzte Hört hört Die Angriffe gegen die Juſtiz haben bisher nur in ſolchen Staaten ſtattgefunden die vor einer Revolution ſtanden Dieſe auf Verleumdungen beruhenden Angriffe des Abg Stöcker und der Konſer vativen ſeien bezeichnend Vicepräſident v Heeremann rügt dieſen Vor wurf gegen eine ganze Partei des Hauſes Es ſei doch ein bedenklicher zerlauf wenn die Konſervativen ſich jetzt mit den Antiſemiten ver freunden um Erfolge bei den nächſten Wahlen zu erreichen Abg Frhr v Wackerbarth konſ betont daß er nicht im Namen der konſervativen Partei ſondern nur in ſeinem Namen geſprochen hat Abg Rickert freiſ nimmt hiervon Kenntniß konſtatirt aber daß dyr Redner der konſervativen Partie kein Wort der Verwahrung gegen die Vorredner hatte Die beiden Herren Wackerbarth und Sköcker hängen der konſervativen Partie an den Rockſchößen Abg Stöcker konſ konſtatirt daß bezüglich ſeines Eides der Rechtsanwalt Sello der ja dem Herrn Virchow nahe ſteht erklärt hat daß an einen ſolchen Falſcheid kein denkender Menſch glaube Wenn Herr Virchow doch daran glaube ſo kennzeichne er damit ſeinen Stand punkt Herr Virchow möge doch an ſeine politiſchen Erfolge ſeit 1864 denken und ſich lieber um ſich ſelber kümmern Abg v Kröcher konſ Abg Stöcker habe das Verdienſt in Berlin zuerſt den Sozialdemokraten entgegengetreten zu ſein er habe viele Tauſende von konſervativen Stimmen auf ſich vereinigt und wenn er keine weiteren Erfolge hatte ſo lag das an denjenigen die ihn im Stiche ließen Daß wir einen ſolchen Mann nicht von uns abſchütteln iſt doch klar Beifall Abg Dr Virchow freiſ beſtreitet die Erfolge des Abg Stöcker Abg Stöcker konſ erwidert daß ihn das an den kurländiſchen Bauern erinnere der in einer Heringstonne wohnte und durch deren Spundloch die Welt betrachtete Nach einer längeren Auseinanderſetzung zwiſchen den Abgg Virchow und Stöcker wurde dieſe Debatte geſchloſſen Abg Lückhoff ſreikonſ wünſcht Einſchränkung der Korbmacherei z Plötzenſee wo zahlreiche Arbeitskräfte für dieſen Zweck gemiethet eien Reg Kommiſſar Geh Rath Starcke betont daß die Pächter der Arbeitskräfte hauptſächlich für den Export arbeiten Es ſei nicht leicht die Gefangenen in geeigneter Weiſe zu beſchäftigen ohne doch den freien Arbeitern Konkurrenz zu machen Shoooo r oèjvv vx mzm m mmm Dienstag den 22 März 1892 Abg Lückhoff freikonſ erwidert das habe man ſtets geſagt Die Korbmacherei ernähre zahlreiche freie Arbeiter und namentlich Blinde verdienen damit ehrlich ihr Brod Abg Pleß Ctr Man mag die Sache drehen und wenden wie man will Die Gefangenen Arbeit wird immer dem freien Arbeiter Konkurrenz machen Man ſollte darauf Bedacht nehmen daß die Ge fangenen zu Arbeiten verwendet werden von welcher die Allgemeinheit Nutzen hat Der Hinweis auf den Export iſt verfehlt denn die freien Arbeiter ſind auch für den Export thätig Ohne weitere Debatte von Bedeutung wird der Juſtizetat genehmigt und dann die Berathung auf acht Uhr Abends vertagt 37 Sitzung
doi:10.25673/opendata2-36754
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