Spielleute, einer von ihnen: Günter Christmann
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Klaus-Ernst Behne, Leibniz Institut Für Psychologische Information Und Dokumentation (ZPID)
2020
Nahaufnahme Spielleute, einer von ihnen: Günter Christmann Etwa ab Ende der 60er Jahre hat sich vor allem in Europa eine freie Musik-Szene entwickelt, überwiegend aus Musikern des Free Jazz, die aber stilistisch einordnende Etiketten bewußt vermieden. Die Musiker dieser Szene sind, unter dem Aspekt der sozialen Wertschätzung und der wirt schaftlichen Absicherung, am ehesten mit mittelalterlichen Spielleuten ver gleichbar. Mit selten gewordener Konsequenz haben sie sich entschieden,
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... s nur noch das zu spielen, was sie für wichtig oder wahr halten, wohl wissend, daß dies zu einer zugleich spartanischen und vaga bundierenden Lebensweise zwingt. In einer Zeit, in der Komponisten und Wissenschaftler häufig eine ähnlich gesicherte Altersversorgung erwarten wie Postbeamte, haben diese Musiker eine Lebensform gewählt, die, aus der Distanz betrachtet, vielleicht ein Hauch Romantik und Boheme umweht, tatsächlich aber eher durch Zwang zur Disziplin, Furcht vor nicht versicherter Krankheit, unfreiwilligem Konsumverzicht in einer durch ein malige Hemmungslosigkeit des Konsums geprägten Gesellschaft gekenn zeichnet ist. Da volle Bäuche selten kreativ sind, kann man auch dies -mit einer Prise Sarkasmus -begründen: Support the musicianlet him be hungry! Günter Christmann (geb. 1942) ist einer von diesen Spielleuten, wenn gleich seit seiner Kindheit mit festem Wohnsitz in Langenhagen bei Han nover. Nach einer Dixieland-beeinflußten Schulzeit wandte sich Christ mann, der als Posaunist und Kontrabassist Autodidakt war, Ende der 60er Jahre dem Fr ee Jazz zu, entwickelte aber zugleich ein neugieriges Ohr für die zeitgenössische Kunstmusik. Weil er zunächst Jazzer war, sich aber sti listisch an herrschende Strömungen nie ganz binden wollte, gründete er um 1970 das Improvisationsduo mit dem Percussionisten Detlef Schönenberg, das in dieser ungewöhnlichen Besetzung mehr als 10 Jahre existierte, die Jazzer verunsicherte (weil es nicht swingte und pulste), die Kenner der Neuen Musik aufmerksam machte (weil die Ähnlichkeiten zu komponier ter Musik von Kagel, Berio u.a. unüberhörbar waren). Eine der solistischen Einspielungen Christmanns (Solomusiken für Posaune und Kontrabaß,
doi:10.23668/psycharchives.3242
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