Medizinische Versorgung im Alter: Welche Evidenz brauchen wir? : Kurzfassung der Stellungnahme [report]

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2015
Sehr alt zu werden, ist heute in Deutschland keine Ausnahmeerscheinung mehr. Rund 4,5 Millionen Menschen (5,4 Prozent der Bevölkerung) sind 80 Jahre und älter, und ihre Zahl wächst. Seit den letzten Dekaden sind es die über 85-jährigen Menschen, die am schnellsten und am meisten an Lebenszeit gewinnen. Für diese wachsende Bevölkerungsgruppe lässt sich eine Vielzahl positiver Nachrichten vermelden. Die steigende Lebenserwartung und die über eine längere Zeit bessere Gesundheit alter Menschen
more » ... neben anderen Faktoren auch auf therapeutische und präventive Leistungen zurückzuführen. Kranke alte Menschen haben jedoch unter Umständen wesentlich andere medizinische Bedürfnisse als jüngere, was im Gesundheitssystem Deutschlands nicht entsprechend berücksichtigt wird. Der hohe Standard, der in der Medizin sowohl in der Versorgung als auch in der Erforschung von Erkrankungen und der Entwicklung von Therapien gilt, ist typischerweise auf Patientinnen und Patienten mittleren Alters mit einer einzelnen Erkrankung ausgerichtet. Entsprechend wird häufig Wissen, das an Menschen im mittleren Alter gewonnen wird, auf alte Patientinnen und Patienten übertragen – obwohl diese sich körperlich und geistig, in ihren medizinischen Versorgungsprioritäten und Lebensumständen von Jüngeren unterscheiden. Dies ist keine gute wissenschaftliche Praxis und führt oftmals nicht nur zu einer unangemessenen Versorgung, sondern gefährdet alte Menschen mitunter. Alte Menschen, die häufig chronisch mehrfach erkrankt sind, nehmen viele Medikamente gleichzeitig ein, die jeweils auf eine Einzelerkrankung ausgerichtet sind. Diese polypharmazeutische Behandlung entspricht bisweilen nicht den Gesundheitszielen alter Patientinnen und Patienten und kann sogar ein beträchtliches Gesundheitsrisiko darstellen. Es fehlt externe Evidenz, wie multimorbide alte bis sehr alte Menschen besser zu behandeln wären. Es mangelt an Leitlinien, die auf die aktuellen Wissenslücken und Gefahren hinweisen. Gleichzeitig werden wichtige Medikamente oft nicht angeboten. Daher [...]
doi:10.26164/leopoldina_03_00605 fatcat:igtrysqo4zfw7hzbnvysbx4bcu