Pars Secunda Philosophiae, seu Metaphisica

Leo Jordan
1910 Archiv für Geschichte der Philosophie  
L Dies ist der Titel eines sauber geschriebenen Manuskriptes des XVIII Jahrhunderts. Es kam aus der Auslage eines Münchener Antiquars in meinen Besitz, doch belehrte mich ein inliegender Zettel, daß es einst ain Seinestrande feilgeboten wurde, bei den Bouquinistes, deren einer vom Quai Voltaire Namen und Adresse darauf zurückließ. Paris wird denn auch nicht nur Übergangsstation, sondern wohl Heimat des Bändchens sein, dessen Inhalt in vielerlei Beziehungen interessant ist. Bekleidet ist unser
more » ... nuskript mit dem üblichen Pappband nebst Lederecken und gepreßtem Lederrücken im Geschmacke der Zeit, der Eücken enthält die Bezeichnung: METAPH. Diese Hülle umschließt l Titelblatt und 359 paginierte Seiten. Auf dem Titelblatt befindet sich rechts oben die Bemerkung: V cdhier, die ich nicht zu deuten vermag, sodann der Name des Besitzers oder des Verfassers jvon einem wohlgelungenen, zierlich verschlungenen Schnörkel umgeben: Louis Alexis Gerard Im Felde von anderer Hand mit kleinem g und ohne Akzent: gerard Ich mutmaße, daß dies letztere der Vermerk eines Abschreibers ist, während wir in dem verschnörkelten Namen natürlich eine eigenhändige Unterschrift zu sehen haben. Brought to you by | Universitaet Giessen Authenticated Download Date | 5/18/15 2:04 PM Pars Secunda Ph osophiae, seu Metaphisica. 231 Den Titel des Ganzen habe ich bereits genannt. Wir haben es also mit dem zweiten Teile eines lateinisch geschriebenen philosophischen Systems zu tun, dem interessanteren Teile, der Metaphysik: Diese zerf llt in zwei Kapitel, die Ontologie (S. l-98) und die Pneumatologie (S. 99-359). Beide Kapitel werden ihrerseits in Quaestiones eingeteilt, deren die Ontologie vier enth lt: De essentia entis (S. 2), de proprietatibus entis (S. 14), de speciebus entis (S. 44), de causis entis (S. 87). Die Pneumatologie enth lt ihrer zwei: De deo (S. 100-297) und de mente humana (S. 297 bis Ende). Die Quaestiones zerfallen in Articuli, diese ihrerseits in Paragraphi. Die Darstellung unterbrechen Axiomata und Propositiones, deren Einw rfe entkr ftet werden: Solvuntur objectiones. Wir haben es also mit der Einteilung und Namengebung der scholastischen Philosophie zu tun, Voltaire w rde sagen, es herrsche hier Vair empese du syllogisme (Temple du Go t). Der Standpunkt, von dem aus die Dinge vorgetragen werden, ist derjenige der katholischen Kirche, obgleich der Verfasser sich einmal n u r. zu den Philosophen rechnet und eine Frage, an deren L sung er sich nicht beteiligen will, den Theologen zuweist. Es handelt sich um die Substanz Gottes. Aber auch sonst umgibt die Weltanschauung des Verfassers keine chinesische Mauer, er kennt die zeitgen ssische philosophische Literatur auf das genaueste, nennt Gegner und Gesinnungsgenossen, zitiert sie franz sisch, oft f langen Ausz gen. Kaum eine Frage von Wichtigkeit wird er rtert, ohne da einer der Zeitgenossen zu Worte k me: So finden sich Anf hrungen aus Pierre B a y l e (1647 bis 1706), aus Nicoles/des Jansenisten, Werken (1625-1695), lange Zitate aus L e i b n i t z' franz sischen Schriften, scharfe Polemik gegen Spinoza, Voltaire, La Mettrie. In diesem Zeitspiegel liegt das gro e Interesse der Handschrift. II. Wissen wir also, wes Geistes Kind diese ist, so m chten wir nun auch gern ergr nden, was sie eigentlich vorstellt, τις, πόθεν εις ανδρών; πόδι τοι πόλις ήδέ τοκήες; wird der homerische Fremdling gefragt. Auf die erste Frage stehen uns eine ganze Reihe von Antworten zur Verf gung: Unsere Handschrift kann ein Druckmanuskript sein, das eventuell nie zum Druck gelangte; sie Brought to you by | Universitaet Giessen Authenticated Download Date | 5/18/15 2:04 PM x ) Er zitiert griechisch, S. 47: vocatur a latinis, persona, a graecis hypostasis; S. 99: Etymologie von Pneumatologie; S. 318: apud graecos pneuma. 2 ) Weiteres S. 46: sedulo cavendum, perseitatem (= das "an und für sich bestehen") cum asseitate (das "durch sich selber bestehen") conjundatis,... Brought to you by | Universitaet Giessen Authenticated Download Date | 5/18/15 2:04 PM 16 ) Dagegen Voltaire Louis XIV. Kap. XXXIV. Locke, seui a developpe Ventendement humain, dans un livre oü il n'y a que des verites; et ce qui rend Pouvrage parfait, tousjours ces ^vorites sont claires. -Brought to you by | Universitaet Giessen Authenticated Download Date | 5/18/15 2:04 PM
doi:10.1515/agph.1910.23.2.230 fatcat:fo2uhonsjzha7eddiurby62eda