Der Freiheitsbegriff in Argentinien (1750 – 1850) – Von den Einzelfreiheiten (libertates) zur Freiheit des Einzelnen (libertad)?

Andreas Timmermann
2010 Law and Politics in Africa, Asia, Latin America  
Einleitung Reinhart Koselleck zufolge kennzeichnen die Begriffs-und Institutionengeschichte der von ihm so bezeichneten "Sattelzeit" gesellschaftliche, politische und kulturelle Brüche, in deren Folge sich seit Mitte des 18. Jahrhunderts die Bedeutung klassischer topoi wandelte. Um den Übergang des Alten Staates zum Staat der Moderne sprachlich erfassen zu können, analysierte er Schlüsselbegriffe der politischen Ordnung. In diesem Zusammenhang konstatiert er einen Wechsel von pluralen zu
more » ... ren Begriffen, was neben dem Terminus "Staat" speziell für das Freiheitsverständnis gelte: Die "Freiheiten" und kollektiven Privilegien einzelner Gruppen und Körperschaften weichen nach und nach einem universalen Konzept von Freiheit, das jedem Einzelnen individuelle Freiheit verheißt. Weltanschaulich hat diese Verheißung in Europa ebenso wie in Lateinamerika der Liberalismus proklamiert, um "das Recht des Einzelnen als ein Recht im Singular -als Freiheit statt Freiheiten -zu dem Ausgangspunkt zu machen, aus dem alle weiteren dann nur noch negativ zu formulierenden Konsequenzen folgen" (Michael Zöllner). Wenn aus diesem Recht des Einzelnen alle Freiheiten und Abwehrrechte folgen, dann ist streng genommen sogar deren gesonderte Aufzählung entbehrlich. Umgekehrt können Kollektive dann nur solche, hier im Plural zu formulierende Befugnisse besitzen, die Ihnen die Einzelnen gewähren, wenn sie diese nicht den Individuen weggenommen haben. Diese Folgerung schwächt die historische Stellung der Korporationen als Träger besonderer Rechte, worauf im folgenden noch näher einzugehen ist. Auch die Lateinamerika behandelnde Historiographie beurteilt die Zeit von 1750 bis 1850 als Schlüsselepoche und rekurriert dabei vereinzelt auf das Konzept der "Sattelzeit". Dies lässt sich damit erklären, dass infolge der Französischen Revolution und der Unabhängigkeitsbewegung in Nordamerika neue Konzepte in die Debatten der kreolischen Eliten Eingang fanden und die politischen und gesellschaftlichen Erfahrungen gerade zu
doi:10.5771/0506-7286-2010-1-46 fatcat:azzfwnh5gnazfjxm645j3hwilq