Raimund Girke - Bilder für Castel Burio : Gegenwart und geistige Überlieferung
[chapter]
Lorenz Dittmann
2016
Lorenz Dittmann Raimund Girke -Bilder für Castel Burio Gegenwart und geistige Überlieferung "Das Widereinanderstehende zusammenstimmend und aus dem Unstimmigen die schönste Harmonie."1' "Sie verstehen nicht, wie (das Eine), auseinanderstrebend, in sich übereinstimmt: gegenstrebige Vereinigung wie bei Bogen und Leier."2) Heraklits Fragmente benennen die gegenstrebige Harmonie der Seele und des Alls -und auch die Schwierigkeit, diese zu erkennen ("Sie verstehen nicht..."). In gegenstrebiger
more »
... ie stehen, dem Kosmos und dem Menschen in seiner Innerlichkeit entsprechend, auch die Werke der Kunst -sofern sie diesen Namen verdienen. Und so auch die stillen Bilder Raimund Girkes? Wie ist dies aufzufassen? Wir nähern uns der Beantwortung dieser Frage auf dem Weg einer denkenden Betrachtung der Farbe, des für Girkes Malerei konstitutiven Gestaltungsmittels. Absicht dieserZeilen ist es also nicht, Girkes Stellung innerhalb deraktuellen Malerei zu bestimmen -dies ist oft genug geschehen.3' Vielmehr sei hier der Horizont weiter gespannt und angedeutet, in welchen Tiefen der Überlieferung diese höchst gegenwärtige Kunst gründet -nicht mittels historischer Reflexion, sondern indem sie aus Erfahrungen schöpft, die jahrhundertelang Nachdenken und künstlerisches Schaffen befruchteten, Erfahrungen einer geistigen Natur, einer Durchdringung von Mensch und aus selbst seiender <pvaig. und Hernach, wodurch alle die Erscheinungen bedingt werden, die uns im Raum und in der Zeit entgegentreten.Dieseallgemeinen Bewegungen und Bestimmungen werden wiraufdieverschiedensteWeisegewahr, bald als ein einfaches Abstossen und Anziehen, bald als ein aufblickendes und verschwindendes Licht, als Bewegung der Luft, als Erschütterung des Körpers, als Säurung und Entsäurung; jedoch immer als verbindend odertrennend, das Dasein bewegend und irgendeine Art von Leben befördernd."5) Diese Sätze stehen im Vorwort von Goethes Farbenlehre, jener Theorie der Farbe, die, wie keine zweite, Farbe aus dem Ganzen des menschlichen Welt-und Naturzusammenhangs verstand.
doi:10.11588/artdok.00004666
fatcat:rx5ajjdeqzdyrkiisnuldvmlhy