Fortschritte auf dem Gebiete der Kolloidchemie im Jahre 1915
A. Gutbier
1916
Angewandte Chemie
H u g o S t i n t z i n gl) betont, dal3 die bisherigen Anschauungen uber photochemische Veranderungen, welche Dispersionsmittel, geloste oder adsorbierte Bestandteile eines kolloiden Systems bei Bestrahlung erleiden konnen, .zum Verstandnis der Wirkungen des Lichtes auf den Dispersitatsgrad ausreichen. Die sog. photophysikalische Ausfa.llung, die eigentliche photochemische Ausfallung und die typische Elektrolytausflockug zeigen im Ultramilrroskop .analogen Verlauf, so dal3 kein Anlal3 dafiir
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... rliegt, eine besondere direkte physikalische Wirkung des Lichts auf die Kolloide anzunehmen ; die Luftwirkung mu13 rtls eine chemische aufgefal3t werden. Die direkte Ursache der Stoff anxeicherung durch Wanderung nach den belichteten Teilen partiell bestrahlter kolloider Systeme ist immer ungleich-.iiiaDige Verdampfung des Losungsmittels in verschiedenen Partien der Lijsung. Die ilnreicherung findet immer nach den Partien starkerer Verdampfung statt, und diese Verdsmpfung kann durch absorbiertes Licht aller Welleidangen iilittels der Erwarmung oder auch durch eigentliche Warmezufuhr hervorgerufen werden. Bleibt die Verdampfung aus, so bleiben Licht und Warme ohne EinfluD. Die Stoffanreicherung durch partielle Verdampfung findet in molekular dispersen Systemen nicht statt; sie ist vielmehr eine typische Kolloiderscheinung und ihrem Grade nach bei verschiedenen Systemen gleich grol3 ; die disperse Phase reichert sich in den offenen Teilen urn 20--30% an. Es handelt sich hier offenbar urn rein physikalische Vorgange. H. N o r d e n s o n2) hat die bekannten Untersuchungen von T r a u b e -M e n g a r i n i und S c a 1 a3 ). uber clie spontane Kolloidbildung von Metallen in Kontakt mit einem Dispersionsniittel einer eingehenden Nachpriifung unterzogen und ist dabei zu clen folgenden Ergebnissen gekommen : Eine direkt spontane duflosung von Metallen in Wasser in Form von met,allischen Kolloiden findet nicht statt ; eine solche Reaktion tritt weder bei langem Aufbewahren, noch beim Kochen oder Erhitzen niit darauf folgen-Clem plotzlichen Eintauchen in die ,Fliissigkeit statt. Bei oxydierbaren Metallen konnen durch die Einwirkmig von lileinen Sauerstoffmengeri Verbindungen -Osyde oder Hydroxydeentstehen, welche dann allerdings infolge ihrer Schwerloslichkeit als Kolloitle aufzutreten vermogen. Eesonders bei Blei ist diese Oxydation, sogar in organischen Losungsmitteln, Bullerst kraftig und auch bei guiem Ah-xhlul3 der Luft nur schwer zu vermeiclen ; ein rnetallisches Kolloid w i d dabei aber nicht gebilclet. Silber lost sicli ebenfalls durch Oxydation leicht sowohl in Wasser, als auch in Alkohol auf ; die erhaltenen Verbindungen sind aber Licht uncl Reduktionsinitteln gegeniiber sehr empfindlich, so clal3 das Metal1 leicht reduziert uiid als Kolloid gefallt wird; in . tliesem Falle wird also ein inetallisches Kolloicl, a,ber nur sekundar infolge von chemischen Reakt.ioiien gebildet. Die nicht oxydierbaren Met'alle, Gold und Platin, bleiben ganzlieh unverandert. Die ubrigen Metalle -Kupfer, Zink, Eisen, Nickel, Kobalt, Chrom, Mangan, Silicium, Zinn, Aluminium, Magnesium und Cadmiumwerden je nach ihrer Oxydierbarkeit mehr oder weniger angegriffen ; die gebildeten Yerbindungen treten zuweilen als Kolloid auf, werden. aber iiicht zu Metallen roduziert. 1) Kol1oid.-Beihefte 6, 231 [1914]. Awew. Chem. 191& Aufsatzteil ( I . Band) zu Nr. 35. Wie H. N o r d e n s o n4) ebenfalls gefunden hat, findet eine direkte physikalische Kolloidbildung von Metallen bei ihrer Bestrahlung mit Licht (besoiiders ultraviolettem), niit R o n t g e n -oder Radiumstrahlen in Beriihrung mit einem Dispersionsmittel, wie Wasser, Methyl-oder Athylalkohol und aceton, nicht statt. Bei oxydierbaren Metallen wird die Auflosung durch Oxydation unter dem EinfluB von Bestrahlung kraftig verstarkt. Diese Verstarknng der Dunkelreaktion in) Lichte findet teils durch die Bildung von cheniisch aktiven Stofien, vie Wasserstoffperoxyd, tells durch eine beschleunigencle Wirkung des Lichtes, d. h. Aktivierung des Losungsmittels und der darin gebildeten Stoffe, statt, uiid die gebildeten Metallverbindungen bonnen dann natrirlich infolge ihrer Schwerloslichkeit in Form von Kolloiden auftreten. Der Wirkungspad ist vor allem von der Oxydierbarkeit der Metalle abhangig : Gold und Platin zeigen nur im Dunkeln keine Veranderung, Blei dagegen BuBerst starke OxydatiorLserscheinungen. Beim Silber wird die clurch die Oxydation gebildete Verbindung im Lichte schnell reduziert, und so komint es sekundar zur Kolloidbildung. Wahrend Quechilber sich Lhnlich verhalt, sind bei den ubrigen Metallen die entstanclenen Verbindungen durch Licht nicht reduzierbar. AUS nllem folgt, dab die Lichtreaktion also derjeiigen im Dunkeln vollstandig analog ist. H. F r e u n d l i c h und E. H a s e 5 ) bestimmten die Geschwindigkeit des Adsorptionsriickganges an Schwefelsol rnit Neufuchsin und an Quecksilbersdfidsol mit Neufuchsin und Auramin als Koagulatoren. Es ergab sich, daB der Verlauf in allen Fallen ausgesprochen autokatalytisch war. Das Schwefelquecksilbersol blieb wahrend des ganzen Vorganges in Form von Flocken in der Fliissigkeit verteilt; der Schwefel ballte sich zunachst zu zahen Kugeln zusa,mmen, welche erst gegen Ende des Verlaufs in mehr krystallinische, schlecht benetzbare FIocken zerfielen. Die Abhangigkeit der Geschwindigkeit cles Absorptionsriickganges von der Farbstoffkonzentration ist auffallend grol3, und eine nachtraglich nach der Flockung noch hinzugesetzte Menge von Farbstoff wirkt ebenso beschleunigend, als ob sie von vornherein zugesetzt worden ware. Stoffe, wie Saponin, die sonst als Schutzkolloide bekannt sind, hemmen clen Adsorptionsruckgang in ltleiner Konzentration merklich. Koagulationsgeschwindigkeit und Geschwindigkeit des Adsorptionsruckganges stimmen in allen untersuchten Eigenschaften fast vollstandig iiberein. A. G u t b i e r und F. E n g e r o f f6) berichteten uber ein neues Verfahren zur Bereitung von kolloidem Selen, das a.uf einem merkwiirdigen hydrolytischen Vorgange beruht. Verdtinnt man namlich eine Losnng von Wasserstoffselenbromid, H,SeBr" in Bromwasserstoffsaure init Wasser, so entsteht augenblicklich hochrotes kolloides Selen. Die eingehende Untersuchung des Dial ysenvorgangw und der im AuDenwasser vorgefundenen Reaktionsprodukte 1aRt keinen Zweifel dariiber bestehen, daB clie Zersetzung des Wasserstoffselenbromids durch Wasser nach den folgenclen Gleichungen verlauft : H,SeBr, + H,O = Se + Br, + 3HBr + HOBr; H,SeBr, + 3H,O = H,SeO, + 6HBr und : Br, + H,O = HBr + HOBr. * Der ZersetzungsprozeB verlauft wie eine Ionenreaktion mit aufierordentlich grol3er Geschwindigkeit ; langeres Stehen des R,eaktionsgemisches vor der Dialyse fuhrt nicht zur Erhohung der Konzentration der dispersen Pha'se, sondern eher zur Neigung auch des gescliutzten Kolloids, zu sedinientieren.
doi:10.1002/ange.19160293502
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