Die Lutwigsburger Zentrale Stelle zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen
Eberhard Rondholz
1987
Kritische Justiz
J erouscheks abschließende Aufforderung, sich unserer »dreisten Manier« nicht anzuschließen, sondern weiterhin an »Elias, Lorenzer oder Foucault« zu glauben, tut diesen Autoren sicherlich keinen Gefallen. Michel Foucault lebt nicht mehr und hat den entscheidenden Umbruch der weltlichen Gesetzgebung in der frühen Neuzeit (H IS, S. 115) ebenso wie Norbert Elias nicht einmal zur Kenntnis genommen, geschweige denn an seiner Erklärung gearbeitet. Und man bringt doch auch den von uns sehr geschätzten
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... Alfred Lorenzer nur in Schwierigkeiten, wenn man das Publikum bei ihm nach Antworten zu bevölkerungstheoretischen, rechtshistorischen und hexenforscherischen Fragen fahnden läßt, die ihn bisher gar nicht beschäftigt haben. Eberhard Rondholz Die Ludwigsburger Zentrale Stelle zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen "Die Straf justiz hat gewiß nicht die Aufgabe, Geschichtsforschung zu betreiben oder zeitgeschichtliche Dokumentation zu liefern . Im Mittelpunkt ihrer Betrachtungsweise steht primär nicht ein historisches Ereignis, sondern der Mensch, dem vorgeworfen wird, sich gegen die Gesetze vergangen zu haben. Die Aufklärung und Ahndung nationalsozialistischer Verbrechen brachte es aber nun einmal mit sich, daß zehntausende von Zeugen und Tatbeteiligten, deren Identität und Aufenthalt oft nur mit Mühe und unter Einschaltung des gesamten Polizeiapparats festgestellt werden konnten, vernommen und ihre Bekundungen schriftlich festgehalten wurden ... , so daß erst die Straf justiz gerade auf dem Gebiet der Ahndung nationalsozialistischer Straftaten den Historikern einen Großteil des Materials liefern konnte, auf denen deren Forschungsergebnisse letztlich beruhen .« ' Das hat Adalbert RückerI, von 1966 bis 1984 Leiter der Zentralen Stelle der Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen in Ludwigsburg, in seinem 1982 erschienenen Buch »NS-Verbrechen vor Gericht« geschrieben und damit zugleich etwas über eine mögliche Zukunft seiner ehemaligen Dienststelle angedeutet, wenn ihr ursprünglicher Gründungszweck sich einmal erledigt haben sollte. Adalbert Rückerl ist nur 61 Jahre alt geworden. Als er am 5. Juli 1986 starb, waren die Nachrufe in der Presse spärlich und knapp. Und das war nicht nur ein Reflex der Bescheidenheit und Unauffälligkeit, mit der der leitende Oberstaatsanwalt als Chef der Zentralen Stelle seiner Arbeit nachgegangen war -der Mann, der fast 20 Jahre lang die Ermittlungsarbeiten gegen NS-Verbrecher in der Bundesrepublik koordinierte, stand ja, anders als der Nazi-Jäger Simon Wiesenthai, selten im Rampenlicht der Öffentlichkeit. Es war aber auch ein Indiz für das geringe, offenbar nachlassende öffentliche Interesse an seinem Amt, dessen Aufgabe viele schon jetzt durch die »biologische Amnestie« für mehr oder weniger obsolet halten . Den meisten sagt der Name dieser Behörde, die zeitweilig immerhin 121 Mitarbeiter hatte, darunter 48 Staatsanwälte und Richter, heute überhaupt nichts mehr. Und so mancher Ludwigs-lAdalbert RückerI. NS-Verbrechen vor Gericht.
doi:10.5771/0023-4834-1987-2-207
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