Alles fein säuberlich getrennt! : Kirchliches Vereinsleben in Birmenstorf

Patrick Zehnder
2008
Bevölkerungsteil in den wichtigen Vereinsangelegenheiten bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts fremd. Die Dorfvereine ermöglichten es zunächst den Männern, 92 sich bei geselligen Anlässen zu treffen. Vereine für Frauen entstanden erst später. Der eigentliche Vereinszweckvom vaterländischen Schiessen über das erquickende Musizieren bis hin zum Körper und Geist labenden Turnenspielte oftmals eine untergeordnete Rolle. Im Vordergrund stand die Möglichkeit, Haus und Hof und Arbeitsplatz den
more » ... Rücken zu kehren und ein paar Stunden im Kreise Gleichgesinnter zu verbringen. Der Jahreslauf der einzelnen Vereine bleibt bis heute geprägt von Proben oder Übungen, Anlässen, um die Vereinskasse zu füllen, musikalischem oder sportlichem Wettkampf sowie kürzeren oder längeren Reisen. Gerade die Reisen boten die anfänglich seltene Gelegenheit, die Grenzen der Gemeinde oder des Kantons zu überschreiten. Bis weit ins 20. Jahrhundert hinein war das Reisen als Freizeitvergnügen nur wenigen vorbehalten, von Ferien gar nicht zu sprechen. Das Vereinsleben wurde auch für den Aufbau politischer, beruflicher und privater Beziehungen genutzt. Vereine dienten zudem der Partnervermittlung. Ein wichtiges Merkmal der Vereine war, wie erwähnt, die politische Ausrichtung, denn in den Vereinen wurde nicht selten Kommunalpolitik betrieben. Nicht nur in Birmenstorf waren sie lange Zeit Ersatz für die nicht existierenden Parteien. Kräfteverhältnisse in der dörflichen Politik Die Katholisch-Konservativen besassen im Dorf auf Grund der Zahlenverhältnisse die politische Mehrheit. Ebenfalls aktiv waren die Freisinnigen, die 1906 den «Freien Schiessverein» gründeten, dem nur liberal gesinnte Bürger angehörten. Das Schiessen bedeutete im jungen Schweizer Bundesstaat nach 1848 in erster Linie ein politisches Bekenntnis zum radikalen Freisinn. Vor und nach den Grossratswahlen von 1961 mit einem liberalen Birmenstorfer als Kandidaten bestand eine freisinnige Vereinigung. Die heutige FDP-Ortspartei besteht seit 2001. Einige Arbeiter gründeten 1891 den örtlichen Grütliverein, den Vorläufer der Schweizer Sozialdemokraten, der aber nur während eines Jahres bestand. Obwohl sich die gesellschaftlichen Probleme auch in Birmenstorf abzuzeichnen begannen, hatten die Sozialdemokraten keinen Einfluss auf das politische Dorfgescheheneinige Stimmen für die SPS an eidgenössischen und kantonalen Urnengängen ausgenommen. Ein tendenziell linksgerichteter Radfahrerbund Birmenstorf hatte lediglich von 1918 bis 1924 Bestand. Der Grund für den fehlenden Einfluss lag in der Abwertung der Industriearbeiter, die bis 1945 im ländlichen Umfeld als Bürger zweiter Klasse galten. 1 Die konfessionelle Minderheit am Ort organisierte sich vorerst im Protestantischen Männerverein. Aus ihm ging in der ersten Hälfte der 1960er-Jahre die Orts-
doi:10.5169/seals-324933 fatcat:c43vtke3cnbu5jqmbsqox2wd4q