Das Grammophon des Fabrikanten Bullinger im Kontext des Gesamtwerks [chapter]

Y. Elsaghe
2013 Thomas Manns "Doktor Faustus". Neue Ansichten, neue Einsichten  
Als Biographie eines avantgardistischen "Tonsetzers" ist Thomas Manns Doktor Faustus immer schon und immer auch ein Roman über den modernen Musikbetrieb. Obwohl aber die Entwicklung, die dieser in der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts durchmachte, ohne die tertiären Medien kaum denkbar wäre, 1 spielt technisch reproduzierte Musik im Doktor Faustus in der Regel keine Rolle. Von dieser Regel gibt es nur ein, zwei Ausnahmen. Adrian Leverkühns Brentano-Vertonungen, in Mainz verlegt, wurden
more » ... ursprünglich nicht erst 1922 und auch nicht außerhalb des Reichsgebiets uraufgeführt, nicht in Zürich. Sondern ihre Uraufführung hätte schon zwei Jahre früher stattfinden sollen und in einer Stadt oder besser von einer Stadt aus, die, katholisch wie Mainz, dem forciert religiösen, auch konfessionellen Zug der ausgerechnet dreizehn Liedtexte 2 so gesehen gut angemessen gewesen wäre: "1920 brachte der Kölner Rundfunk sie lobenswert zu Gehör" (10.2, 475). Diesen Plan hat Thomas Mann dann bekanntlich aufgegeben. Bekanntlich wird der Brentano-Zyklus jetzt später aufgeführt, nicht mehr im katholischen Raum, dafür aber eben ganz außerhalb des Reichs. Dabei hatte die Modifikation der Aufführungsgeschichte rein äußere Gründe. Das geht aus einer Notiz hervor, in der Thomas Mann einen technologie-oder institutionsgeschichtlichen Anachronismus seines ursprünglichen Plans registrierte -denn Radio gab es im Deutschen Reich erst seit 1923 -: "Kölner Rundfunk, noch nicht" (Notb II, 208). Seit Thomas Mann die annalistische Unstimmigkeit in der Interpretationsgeschichte des Liederzyklus bereinigt hat, gibt es im ganzen Roman nur noch eine Stelle, an der Musik technisch reproduziert wird, und zwar mit 1
doi:10.5771/9783465138136-167 fatcat:n75xfpplkjgj3ewat3eiat6oxq