Die Transparente der Nürnberger Dürer-Feier von 1828. Ein Beitrag zur Dürerverehrung der Romantik
Matthias Mende
2017
Am Abend des 6. April 1828, dem dreihundertsten Todestag Albrecht Dürers, wurde im großen Saal des Nürnberger Rathauses eine Folge von sieben Transparentgemälden mit Szenen aus dem Leben Dürers zum ersten Mal öffentlich ausgestellt. Diese Kompositionen, eine Gemeinschaftsarbeit junger Münchner Künstler aus der Schule von Peter Corneliusunter ihnen Ernst Förster, Carl Herrmann, Heinrich Stilke, Adam Eberle, Wilhelm Kaulbach und Ferdinand Fellner -sind bisher kaum beachtet worden, obwohl sie im
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... ckblick als die bedeutendste Neuschöpfung der Dürer-Ikonographie des 19. Jahrhunderts verstanden werden müssen und obwohl die weit weniger aufwendige, von Karl Friedrich Schinkel entworfene Dekoration der Dürerfeier in der Singakademie zu Berlin durch Georg Galland bereits vor über fünfzig Jahren in einer sorgfältigen Studie veröffentlicht worden ist1. Der Nürnberger Zyklus, der beim zeitgenössischen Publikum einen solchen Erfolg hatte, daß er mehrere Tage nach dem 6. April unter nicht nachlassendem Andrang gezeigt werden mußte, der noch Jahre später von kunstinteressierten Fremden betrachtet, dann vergessen und erst durch August von Kreling, dem als Leiter der Kunstgewerbeschule und Schwiegersohn Kaulbachs doppelt an der Erhaltung der Bilderfolge gelegen sein mußte, "wiederum aufgefunden und zu Ehren" gebracht wurde, um endgültig vergessen und zerstört zu werden2, dieser Zyklus gewinnt an der Schwelle eines neuen "Dürer-Jahres", der fünfhundertsten Wiederkehr von Diirers Geburtstag 1971, aktuellen Wert. Auch nach dem Verlust der monumentalen, über zwei Meter hohen Originale vermögen uns mehrere kleinformatige, naturgemäß vereinfachende Kopien eine einigermaßen befriedigende Vorstellung vom Aussehen dieser Festdekoration zu geben; für die erste Komposition, die den Eintritt des jungen Diirer in die Werkstatt Michael Wolgemuts schilderte, und für die zweite, Dürers Vermählung mit Agnes Frey darstellend, haben sich eigenhändige Vorzeichnungen von Fellner und Kaulbach erhalten. Steht bei einer Veröffentlichung dieser historischen Szenenfolge das "Nachleben" Dürers noch im Vordergrund unseres Interesses, so erlaubt die intensiver gewordene Detailforschung zur Kunst des 19. Jahrhunderts auch dann eine ausführliche Betrachtung der sieben Transparente, wenn von vornherein feststeht, daß es sich bei ihnen fast durchweg um Gelegenheitsarbeiten oder ausgesprochene Frühwerke von Kiinstlern handelt, die wie Kaulbach erst Jahrzehnte später den Zenit ihres Ruhmes erreichten, wie Förster die Malerei mit der theoretischen Kunstgeschichtsschreibung vertauschten, wie Eberle friih und unvollendet starben oder als Künstler scheiterten wie Fellner und in gewisser Weise auch Herrmann, und die insgesamt als "Historienmaler" des zweiten Jahrhundertdrittels mit ihren Wcrken noch immer pauschal abgelehnt werden, obwohl ihr Mentor Cornelius schon wieder in den Blickpunkt kunsthistorischer Forschung gerückt ist3. Der massive Eingriff in das hier behandelte Bildprogramm durch Cornelius, von dem wir wissen, daß er eine nazarenische Apotheose Dürers und Raffaels als Mittelbild durchsetzte, erlaubt es zudem, die Frage der Abgrenzung zwischen Romantik und frühem "historischen" Realismus an einem fest datierten Beispiel erneut zu stellen.
doi:10.11588/azgnm.1969.0.38860
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