Rezensionen
2008
Elemente der Mathematik
Wie lässt sich feststellen, ob ein verschlungenes Stück Schnur wirklich verknotet ist? Diese Frage hat die Entwicklung eines Zweiges der algebraischen Topologie angestossen, also von Mathematik, die in den letzten hundert Jahren entwickelt wurde. Es ist bemerkenswert, dass die Schulmathematik sich ein derart " junges" Thema vornimmt. Die Autorin thematisiert die Darstellung von Knoten durch generische Projektion auf eine Ebene. Daraus ergibt sich ein Klassifikationsproblem, das im Sinn und
more »
... der algebraischen Topologie, aber auf die Schule zugeschnitten, behandelt wird. Knotendiagramme werden durch Reidemeisterschritte verändert, Knoten werden zusammengesetzt, Primknoten werden gefunden. Unter den Merkmalen von Knoten oder von Knotenprojektionen gibt es welche, die sich als Zahlen ausdrücken lassen. Darunter sind jene besonders interessant, die sich bei Reidemeisterschritten nicht verändern. Beispiele für Knoteninvarianten sind: Kreuzungszahlen, Orientierbarkeit, Dreifärbbarkeit, Verschlingung und Verschlingungszahl. Als algebraische Invariante wird das Jones-Polynom hergeleitet. In der didaktischen Umsetzung zeigen sich das Geschick der Autorin, aber auch die natürlichen Grenzen der Schulmathematik. Das Wecken der Neugierde gelingt durch ganz konkretes Arbeiten mit einem Stück Schnur. Alle wesentlichen Gedankenschritte werden konstruktiv aufgebaut und durch geeignete Aufgaben abgesichert. Meike Akveld weiss als Lehrerin, wie aus dem Spiel mit Schnüren Ernst gemacht werden kann: Sehr bald ist es entscheidend, dass man beim Arbeiten solche grundlegenden Eigenschaften wie Sorgfalt, Geduld, Gründlichkeit, Fantasie und Raumvorstellung entwickelt, um den gestellten Aufgaben gerecht zu werden. Schon im ersten " elementaren" Teil des Themenheftes wird auf eine originelle Weise Mathematik gemacht, die dem Thema und den Lernenden (typisches Alter ab 15 Jahren) gerecht wird. Die formalen Ansprüche steigen im zweiten Teil mit der Entwicklung der Knotenpolynome. Das Leitmotiv Invarianten wird durchgehalten. Knotenpolynome sind für Gymnasiasten ungewohnt, weil nun nicht dieüblichen Eigenschaften von Polynomfunktionen behandelt werden. Die wesentliche Information ist in der Folge der Koeffizienten dieser formalen Laurentpolynome kodiert. Jeder willige Schüler kann unter Anleitung zwar Schritt für Schritt verstehen, wie man von einem Knoten zum Jonespolynom gelangt. Nur die echt mathematisch Begabten werden sich aber noch mehr Gedankenüber Knotenpolynome machen wollen und von Neugierde getrieben selbst mathematisches Neuland aufsuchen. Die Gliederung nimmt darauf Rücksicht: Es gibt einen " Pflichtteil" und eine " Kür".
doi:10.4171/em/108
fatcat:ri2hjvelbjhwxp3qg7ygvbmuyu