Wie man eine Kasuistik schreibt
L. Kowalzick
2008
Aktuelle Dermatologie
Prof. Dr. med. habil. Lutz Kowalzick Fallberichte sind die kleinste Münze der wissen− schaftlichen Originalarbeiten. Sie sind mit ver− gleichsweise geringerem Aufwand zu verfassen als Fallsammlungen und Studien. Dementspre− chend stellen sie die mit Abstand meisten zur Pu− blikation eingereichten Arbeiten dar. Allerdings sind unter ihnen auch die meisten abgelehnten Manuskripte [2]. Dieser Artikel will gleichwohl insbesondere junge Kollegen ermutigen, Fallbe− richte zu verfassen, indem er
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... praktische ¹Kochrezepte" anbietet, wie man zeitökonomisch und erfolgreich Kasuistiken verfasst. Der Geübte kann eine gute Kasuistik in nur ca. 10 bis 12 Ar− beitsstunden während ein bis zwei Wochen ver− fassen. Manche Arbeitgeber, wie die HELIOS Kli− niken, honorieren publizierte Kasuistiken auch mit spürbaren Bonuszahlungen, um das wissen− schaftliche Engagement gerade des ärztlichen Nachwuchses zu fördern und zu unterstützen. Der Autor selbst lernt sehr viel über Dermatolo− gie beim Verfassen einer Kasuistik; noch nach Jahrzehnten hat man das betreffende, meist sel− tene, Krankheitsbild stets abrufbar vor Augen. Kasuistiken können im Wesentlichen zwei Zwe− cken dienen: Erstens der individuellen ärztlichen Fort− und Weiterbildung der Leser, zweitens ± und wichtiger ± der Vermehrung des allgemei− nen wissenschaftlichen medizinischen Wissens über Krankheitsbilder. Fallberichte können den Anstoß zu weiteren Untersuchungen wie Fall− sammlungen oder Studien geben. Ansatzpunkt zum Verfassen einer Kasuistik ist die richtige Fallauswahl. Das beschriebene Krankheitsbild sollte in der täglichen Routine von Praxis oder Klinik ausgesprochen selten sein, oder der Fall sollte selten beschriebene, ungewöhnliche oder neue Aspekte zum klinischen Bild, zu Assoziatio− nen und Komorbidität, zur Ätiologie, zur Diag− nostik einschließlich Differenzialdiagnostik oder zur Therapie der Erkrankung aufweisen. ¹Selten− heit" könnte in diesem Sinne vermutet werden, wenn der langjährige Facharzt in Klinik oder Pra− xis das Krankheitsbild oder den besonderen Aspekt noch nie persönlich beobachtet hat. Man sollte sich stets auch die Frage stellen, was dieser Fall zur Vermehrung des individuellen oder all− gemeinen medizinischen Wissens beitragen kann. Natürlich sollten auch gute klinische Bilder des Falls vorhanden sein und es sollten rechtzei− tig die erforderlichen diagnostischen Maßnah− men, insbesondere ggf. histologische, allergologi− sche und einschlägige Laboruntersuchungen ver− anlasst worden sein, um über alle Informationen, die für die Kasuistik ± auch über die Routinediag− nostik hinaus ± benötigt werden, zu verfügen. Man sollte also möglichst frühzeitig an eine mög− liche spätere publikatorische ¹Verwertbarkeit" des Falles denken. Auch wenn in der fertigen Kasuistik die Gliede− rung in der Reihenfolge: Titel, Abstrakt, Schlüs− selwörter, Einleitung, Falldarstellung, Diskus− sion/Besprechung, verwendete Literatur erfolgt, hat sich mir eine andere Reihenfolge bei der Ab− fassung des Manuskriptes bewährt: Herzstück der Kasuistik ist naturgemäß der eigentliche Fallbericht, der als Erstes verfasst werden sollte. Er kann im Kernbereich auf dem Arzt− oder Entlassungsbrief basieren. Erkrankungsbezogene Anamnese, klinischer dermatologischer Lokal− und Allgemeinbefund und, soweit zutreffend bzw. erforderlich, Histologiebefunde, Laborbe− funde, allergologische Testergebnisse, Photodi− agnostikresultate und Ergebnisse der apparati− ven und bildgebenden Diagnostik sollten nach− einander mitgeteilt werden. Allerdings sollten nur solche Befunde aufgeführt werden, die einen direkten Bezug zum präsentierten Fall und sei− nen möglichen Besonderheiten haben könnten. Dagegen sollten hierfür irrelevante Nebendiag− nosen und −befunde, der besseren Lesbarkeit der Arbeit wegen, konsequent ausgespart werden. Gute Bilder des dermatologischen Befundes und ggf. von der Histologie sollten in diesem Ab− schnitt eingefügt werden. Literaturstellen sollten in diesem Teil der Arbeit nur im Bezug auf die verwendete Methodik verwendet werden. In der Diskussion oder Besprechung sollten die Besonderheiten des eigenen Falls mit den in der einschlägigen wissenschaftlichen Literatur vor− handenen Daten verglichen, und aus diesem Ver− gleich möglichst Schlüsse für die Einordnung des Falls und für die künftige Handhabung vergleich− barer Fälle [1] gezogen werden. Zum Einstieg in die Literaturrecherche empfiehlt sich ¹PubMed", die kostenfreie Datenbank des National Institute of Health der Vereinigten Staaten (Link: http:// www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/). Diese enthält die Daten aus verschiedenen medizinischen Da− tenbanken. Nach Eingabe von zwei bis drei Such− begriffen erhält man Literaturlisten, aus denen man einzelne Arbeiten auswählen und dann oft deren Abstrakt oder Volltext lesen kann. Aller− dings sind insbesondere viele wichtige deutsch− sprachige und ältere Artikel nicht in dieser Da− tenbank zu finden. Es empfiehlt sich daher, in den Literaturverzeichnissen von auf diesem Wege gefundenen Publikationen nach weiteren einschlägigen Publikationen zu suchen. Die Suchbegriffe sind englischsprachig einzugeben, wobei verschiedene Schreibweisen, besonders Editorial 357 Kowalzick L How to Write a Case Report ¼ Akt Dermatol 2008; 34: 357 Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages.
doi:10.1055/s-2008-1077667
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