Spracheinstellungen in den 90er Jahren in Berlin: Aspekte deutsch-deutscher Identitätssicherung aus soziolinguistischer Perspektive

Irena Regener
2002 Conflict & Communication Online  
Identitätsfindungs- bzw. -sicherungsprozesse im Deutschland der 90er Jahre sind von ostwestunterschiedener Spezifik. Da eine gemeinsame Sprache zu den wesentlich identitätsstiftenden Werten sozialer Gruppen gehört, wird am Beispiel der berliner Sprachgemeinschaft untersucht, welche Funktion Spracheinstellungen und Sprachverhalten in diesen Prozessen zukommt: (1) Ausgehend von empirisch nachweisbaren Unterschieden zwischen Ost- und Westberlinern in ihrem Sprachverhalten wird der Frage
more » ... n, (2) wie sich diese Unterschiede in Spracheinstellungen sowohl dem Berlinischen generell als auch dem Sprachgebrauch in der jeweils 'anderen' Stadthälfte gegenüber kontinuieren, und (3) welche Entwicklungen es in der Nachanschlusszeit gibt - wie Sprachverhalten und Spracheinstellungen letztlich zu Annäherung vs. Abgrenzung zwischen Ost und West beitragen. Die Basis für die Beantwortung dieser Fragen bilden die Ergebnisse einer Längsschnittstudie (standardisierte Fragebogenerhebung; Auswertung mittels quantitativer und qualitativer statistischer Methoden), die das Bild einer nach wie vor sprachlich geteilten Stadt zeichnen. Sich vollziehende Veränderungen im Sprachverhalten und in den Spracheinstellungen, aber auch und gerade Veränderungen, die nicht stattfinden, sind partiell ost- bzw. westspezifisch festzumachen, und zwar so, dass sie die 'ererbten Spezifika' der ost- bzw. der westberliner Sprachgemeinschaft einerseits tradieren und andererseits den veränderten gesellschaftlichen Bedingungen entsprechend weiterentwickeln. So existiert nach wie vor ein deutliches und auch deutlich wertendes Differenzbewusstsein hinsichtlich des Gebrauchs und der Bewertung der Stadtvarietät, das mehrheitlich auch auf die Sprecher in der jeweils anderen Stadthälfte distinktiv projiziert wird. Dabei erscheint die westberliner Sprachgemeinschaft zwar gefestigter in ihren Haltungen, Einstellungen, Werten und Urteilen als die ostberliner und deshalb änderungsresistenter oder auch konservativer, aber es gibt eine Bewegung hin zu positiverer Int [...]
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