Aerztliche Kosmetik der Haut. Fortbildungsvorträge: II.1)
1913
Deutsche Medizinische Wochenschrift
Dirigierendem Arzt des Ostkrarikenhauses in Berlin. II.') 3. Anomalien der Talgdrüsen. Akne vulgaris, Milium, Lichen pilaris. Akne vulgaris. Die Akne vulgaris (Eiterpickel, Finne, Wimmerl) ist die wichtigste kosmetische Affektion, nicht nur wegen der häßlichen Entstellung, zu der sie führen kann, sondern auch wegen ihrer Häufigkeit. Es gibt wohl kaum einen Menschen, der nicht gelegentlich einen Aknepickel im Gesicht oder Rücken gehabt hat. Zu einer erfolgreichen Behandlung dieses Leidens ist es
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... unerläßlich, über die Pathogenese klar zu sein, da es nur auf Grund der Kenntnisse aller ätiologischen Faktoren möglich ist, die verschiedenen therapeutischen Maßnahmen zur richtigen Zeit und in der richtigen Reihenfolge anzuwenden. Der Aknepickel, der eine eitrige Entzündung des Haarund Talgdrüsenfollikels darstellt und entweder oberflächlich dicht unter der Epidermis (Akne superficialis) oder in der Cutis oder gar im subkutanen Gewebe liegt (Akne profunda), bildet sich niemals an vollkommen gesunden, unveränderten, sondern ausschließlich an solchen Follikein aus, die vorher in Bau und Gefüge Veränderungen gezeigt haben. Diese Veränderungen bestehen in Vergrößerung und Verdickung der Talgdrüsen, in Verhärtung und Retention des Talgdrüsensekretes (Comedones) und Verschluß des Ausführungsganges. Neben den durch diese Veränderungen gegebenen günstigen Wachstumsbedingungen für Mikroorganismen erlangen die sonst unschuldigen Schmarotzer der Follikel (besonders der Staphylococcus albus) erhöhte Virulenz und rufen die eitrige Entzündung hervor. Die erwähnten Follikelveränderungen bilden sich am häufigsten im Pubertätsalter aus, in dem gleichzeitig mit eintretender Geschlechtsreife die Follikel vermehrtes Wachstum, insbesondere stärkere Epithelproliferation (Haarwachstum) zeigen und somit auch leichter aLs sonst Ernährungsund Wachstumsstörungen unterliegen. Es kommen jedoch für sie noch direkt begünstigende Momente in Betracht, die im Ailgemeinbefinden des Patienten liegen (Anämie, Chlorose, harnsaure Diatbese, Menstruationsanomalien, Magenkatarrhe, Stuhlverstopfungen). Die Pathogenese und damit auch die Behandlung der Akne bat daher folgende Faktoren zu berücksichtigen: A. die allgemeinen Störungen des Körpers, B. die lokalen Störungen der Hautfollikel (Comedones etc.), C. die eitrige abszedierende Entzündung. A. Die allgemeinen Störungen des Körpers. Anämie, Chlorose, barnsaure Diathese, Menstruationsanomalien, Magenkatarrhe werden gemeiniglich als häufige [Jrsache für die Akne vulgaris angesehen. Nach meinen auf viele Hunderte vOn Fällen sich erstreckenden Beobachtungen 1) Siehe Nr. 36. Begründet von Dr. Paul Römer Nr. 41 BERLIN, DEN 9. OKTOBER 1913 VERLAG: GEORG THIEME LEIPZIG Antonstraße 15 39. JfU-fRGFNG sind sie aber verschwindend selten gegenüber der ganz banalen Stuhiverstopfung. Ich glaube nicht fehl zu gehen, wenn ich in wenigstens 90 % der Fälle diese als ursächliches Moment ansehe und annehme, daß abnorme Zersetzungsprodukte vom Darm aus resorbiert werden und einen Reiz für die Talgdrüsen bilden, den diese mit Sekretionsanomalien beantworten. Es ist dabei durchaus nicht nötig, daß die Obstipation sehr erheblich in Erscheinung tritt, es genügt, daß der Stuhlgang unregelmäßig ist und tageweise aussetzt. Häufig ist diese Unregelmäßigkeit so gering, daß sie den Patienten garnicht so recht zum Bewußtsein kommt Die im Pubertätsalter stehende Tochter nebst begleitender Mutter antworten auf die ärztliche Frage häufig zunächst erstaunt verneinend, bis die ins Einzelne gehende Inquisition den Tatbestand enthüllt. Gewöhnlich hat die Stuhianomalie schon jahrelang bestanden, ehe sich die Follikelveränderungen (Comedones etc.) gebildet haben, und auch diese können lange Zeit vorhanden sein, ehe es zur richtigen Akne kommt. Die Regelung des Stuhiganges, der Diät und der übrigen Lebensweise ist daher erste Aufgabe des Arztes. Sie ist schwer und mannigfach, und wird je nach Stellung, Lebensgewohnheit, Beschäftigung des Patienten verschieden sein. Der Arzt kann hier seine Kunst zeigen. 15m das Thema zu erschöpfen, müßte man eine eigene umfangreiche Abhandlung schreiben. Hier können nur einige wichtige Richtlinien gezogen werden. Abführmittel sind Notbehelfe, die sobald wie möglich wieder verlassen werden müssen, sie sollen möglichst milde sein und nie zu Durchfall führen. In Betracht kommen außer der physikalischen Therapie (Massage, Elektrizität, Eingießungen etc.) Trinkkuren (Karlsbad etc.), Teeaufgüsse (Sennablätter etc. ), Fruchtspezialitäten (Tamarinden etc.). Ich ziehe allen diesen den Schwefel vor, der als Pulver mehrmais täglich messerspitzenweise: Rep. Suif. praoc. Saceh. lactis aa 50,0. oder als Latwerge Rep. Suif. praec. 70,0 Mel. crud. 40,0 genommen werden kann, sehr milde wirkt und mit seltenen Ausnahmen gut vertragen wird. Ich glaube mich nach jahrzehntelanger Beobachtung in der Annahme nicht zu täuschen, daß der Schwefel außer der Anregung der Peristaltik abnorme Darmzersetzungen direkt hintanhält und dadurch so günstig auf die Talgdrüsenveränderungen und die Akne einwirkt.
doi:10.1055/s-0028-1128795
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