Glauben lehren und lernen
Julia Knop
2022
Kann man lernen, an Gott zu glauben? Kann man einem anderen, dem Kind, dem Schüler oder der Schülerin, den Jugendlichen im Firmkurs, einem Konvertiten oder einer Studentin, beibringen zu glauben? Ist Gottvertrauen erlernbar? Schaut man in Katechismen älterer oder jüngerer Art, scheint die Sache klar zu sein: Ja, Glauben kann man lernen; in den Glauben und seine Traditionen kann man sich einüben. Katechismen geben Antworten auf alle möglichen (bzw. alle vom Herausgeber vorgesehenen) Fragen, die
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... in Mensch zum Glauben haben kann. In Katechismen jüngeren Datums, etwa dem 2010 aufgelegten YouCat, gibt es neben klassischen Fragen und Antworten erläuternde Textabschnitte, die Begriff e erklären (z. B. Diakon, Transsubstantiation, Doppelmoral), und Zitate und Sinnsprüche aus dem Schatz der Bibel, der kirchlichen Tradition, der Liturgie, der Theologie und der Literatur. «Neues und Altes» (Mt 13, 52) wird hervorgeholt und den jungen Leuten ans Herz gelegt: geistliche und geistreiche Sätze aus Evangelien und lehramtlichen Texten, aus Sakramentenfeiern und Ordensregeln, von Kirchenvätern und Schriftstellern, von Heinrich Böll und Reinhold Schneider, Edith Stein, Mutter Teresa, Roger Schütz, Pater Pio und dem Pfarrer von Ars. Anders als die lexikalisch anmutenden Erläuterungen erklären diese Zitate nichts. Sie machen ein Identifi kationsangebot. Das persönliche oder kirchliche Zeugnis, das in ihnen zum Ausdruck kommt, soll den Leserinnen und Lesern den katholischen Glauben in der präsentierten Form als eigene Lebensoption nahebringen. Das Ziel eines Katechismus ist innere Zustimmung -der Fragen, der Antworten und der Lebenszeugnisse. Die durchweg inklusive Sprache, die Leserin und Leser in ein größeres «Wir» hineinzieht, erzeugt zudem Zugehörigkeit. Wer dem auf Affi rmation angelegten Duktus eines Katechismus folgt, kann sich als Teil einer kirchlichen Gemeinschaft erfahren, die in Glauben und Leben dieselbe Sprache spricht, denen die vorgegebenen Fragen selbst fraglich (geworden) sind und denen die gemeinsame Antwort etwas bedeutet.
doi:10.57975/ikaz.v48i5.6516
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