Ein neues Modell zur Heißluftbehandlung von Ohren- und Nasenkranken4)
E. Berthold
1904
Deutsche Medizinische Wochenschrift
der Einführung hochgespannter heißer Wasserdrnpfe in die Nasenhöhle. Im Herbste des Jahres 1900 veröffentlichte ich den hier gehaltenen Vortrag in etwas erweiterter Form und erhielt darauf im April 1901 von S. Lichtwitz in Bordeaux eine kleine Abhandlung: Du traitement aérothermique dans quelques affections nasales" zugesandt, in der er statt der von mir angewandten heißen Wasserdämpfe die Heißluftbehandlung empfahl und nach der Beschreibung der von ihm benutzten Apparate angab. daß sein
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... en immer gut vertragen würde und, abgesehen von einzelnen Anfällen von Niesen (crises déternuement ) niemals Komplikationen verursacht habe. Hi eran knüpft er folgende Bemerkung: La méthode de E. Berthold est moins inoffensive, puís1oe lauteur lui-même avoue des complications auriculaires et autres k la suite des applications de vapeur surchauffée." Ich war anfangs darüber erstaunt, daß Lichtwitz sein Verfahren und das meinige für zwei gleichartige Heilmethoden anzusehen schien, obgleich der Zweck seines Verfahrens doch nur darin bestand, durch überhitzte Luft von 70° bis 9Q0 C auf die Dauer von zirka drei Minuten eine }{yperämie in den betreffenden Geweben oder ihre Austrocknung hervorzurufen, wogegen durch die intranasale Vaporisation auf die kurze Zeit der Einwirkung von nur drei bis vier Sekunden eine Entzündung zweiten Grades nut fibrinöser Ausschwitzung auf die Oberflache der Nasenschleimhaut erzeugt wird. Die beiden Methoden haben also einen verschiedenen Zweck und unterscheiden sich voneinander wie Wasser und Luft. Auf die großen physikalischen Unterschiede dieser beiden Medien hat schon Frey in Baden-Baden in einer Arbeit vom Jahre 1900: »Die Heißluftdusclie und ihre Bedeutung in der Aerotherapie" hingewiesen. Ein paar Zahlen mögen uns die Größe dieser Unterschiede vergegenwärtigen. Ein Liter Wasser braucht 3000 mal so viel Wärme, als ein Liter Luft. um um einen Grad erwärmt zu werden. Dementsprechend gibt das Wasser bei seiner Abkühlung auch 3000 mal so viel Wärme ab, als Luft. Nun beträgt aber das Warmeleitungsvermögen der Luft nur 0,033, wenn das Wärmeleitungsvermögen des Wassers zu 1. ange nominen wird, daraus folgt, daß die Luft ungefähr 30 mal so langsam ihre aufgenommene Wärme an einen anderen Körper abgibt, als Wasser. Das spezifische Gewicht von Wasser zu Luft verhält sich bei einer Temperatur von 15°C wie 819 : 1. EinLiter Luft wiegt etwas iiber 1 g, 1 1 Wasser bekanntlich 1 kg. Schließlich möchte ich noch anführen, daß ein Volumen Wasser 1700 Volumina gesättigten Wasserdampf von lOOn C liefert. Die Mitteilungen von Lichtwitz, daß le traitement aérothermique denselben therapeutischen Erfolg, wie die intranasale Vaporisation haben sollte, mußten für mich Grund genug sein. seine Methode nachzuprüfen. Bei einer solchen Nachprüfung empfiehlt es sich immer, zuerst die Vorschriften des Autors genau zu befolgen und die Versuche womöglich mit denselben Apparaten anzustellen, die er angegeben hat. Diese Bedingung konnte ich leider nicht erfüllen, da Lichtwitz zur Erzeugung der Heißluft die Elektrizität benutzt hat und mir diese Kraft in meiner Poliklinik nicht zur Verfügung steht. Ich habe meine ersten Versuche daher mit den größeren Apparaten des Fabrikanten C. J. Mehn in Braunschweig und Dr. Schüler in Berhn, die auch mit einer Spirituslampe zu heizen gehen, angestellt. Alle Apparate, die zur Erzeugung von trockener strömender Heißluft, also zur Luftdusche bestimmt sind, müssen aus zwei Teilen bestehen, aus einem die kalte Luft zuführenden Apparate und aus einem Heizapparate, in dem die kalte Luft in heiße Luft umgewandelt wird. In dem großen Apparate von Mehn und Dr. Schüler erfolgt die Zuführung der kalten Luft vermittelst eines Blasebalges, der durch eine Kurbel mit der Hand in Bewegung gesetzt oder elektrisch betrieben wird, ich mußte wegen Mangels eines elektrischen Motors das Gebläse mit der Hand eines kräftigen Menschen ausführen lassen und sah sofort ein, daß dieser Apparat für meine Zwecke eine zu große Bedienung notwendig mache, ich habe dann das Mikrogeblä.se der Herren Mehn und Dr. Schüler, zu welchem ein Paquelin verwandt wird, geprüft. Ein Paquelin funktioniert bekanntlich nur dann, wenn einem glühend gemachten Platinstift ununterbrochen Benzindämpfe zugeführt werden. Eine kurze Unterbrechung in der Zuführung der Benzindämpf e hat ein Erkalten des Platinbrenners zur Folge, er muß dann von neuem an einer Spiritusfiamme glühend gemacht werden, damit der Apparat in Funktion gesetzt werden könne. Das ist natürlich während der Behandlung eines Kranken eine unliebsame Störung. Da mich also die erwähnten Apparate nicht ganz befriedigten. so bemühte ich mich, selbst einen Apparat zur Heißluftdusche zu konstruieren. Derselbe sollte ebenso einfach wie billig sein, und so wählte ich dann zur Zuführung der kalten Luft einen GummidoppelballOn oder ein Guminitretgeblase. Zur Heizvorrichtung schien mir eine Aeoli-' pile geeignet, die vor der allgemeinen Verbreitung der Galvanokaustik, also vor zirka 40 Jahren, häufig benutzt wurde, um eiserne Stäbe glühend zu machen, wenn das Cauterium actuale zur Ausübung kommen sollte. Da eine Aeolipile der jüngeren Qeneration der Aerzte wohl kaum mehr bekannt sein dürfte, so will ich sie hier kurz beschreiben. Sie stellt einen doppeiwandigen Becher mit doppeltem Boden dar, aus dessen Mitte ein dünnes Röhrchen, das mit dem Hohlraum zwischen den Wandungen kommuniziert., herausragt. Der Zwischenraum des Doppelbechers läßt sich durch eine an seinem oberen Teile angebrachte Oeffnung mit Spiritus füllen. Wird diese Oeffnung fest verschlossen, so kann der Spiritus nur durch das dünne Röhrchen zum Abfluß gebracht werden. Gießt man nun in einen solchen Becher etwas Spiritus hinein und zündet diesen an, so wird die Spiritusflamme den ganzen Becher samt des Inhalts, der sich zwischen der Doppelwandung befindet, erhitzen, der Spiritus wird sich hier in Dampf verwandeln, aus dem dünnen Röhrchen ausströmen und sich an der Spiritusfiamine von selbst entzünden. ist das geschehen, so wird die Temperatur im Becher schnell steigen, infolgedessen wird auch eine schnellere Vergasung und eine stärkere Spannung der Gase des Spiritus innerhalb der Wandungen des Bechers stattfinden, so daß die Flamme mit brausendem Geräusch fußhoch und darüber aus dem Röhrchen emporsteigt und in wenigen Minuten einen in sie gehaltenen Eisenstab zum Glühen bringen kann. Eine Aeolipile liefert in ein und derselben Zeit eine viel intensivere Hitze, wie eine einfache Spirituslampe. Für meine Zwecke mußte die Aeolipile noch eine Modifikation erfahren, ich hatte aber nicht nötig, sie selbst zu ersinnen, denn ich fand, was ich brauchte, bereits fertig vor in der Konstruktion einer schwedischen Lötlampe, an der Lötkolben bis zur Rot-, respektive Weißglut erhitzt werden können. Sie besteht aus einem becherförmigen Benzinbehälter, der an drei Stellen luftdicht verschliel3bare Oeffnungen hat, eine am Boden, durch die ein Docht zum Aufsaugen des Benzins eingeführt werden kann, eine zweite am Rande der Decke zum Füllen der Lanpe mit Benzin, die dritte Oeffnung befindet sich in der Mitte der Decke, sie bildet die Mündung eines kleinen Kanals, des Gaskanals, in den die Spitze des Dochtes hineinragt. Aus ihr strömt das vergaste Benzin aus, wenn die Lampe brennt; sie kann durch ein rechtwinklig zum Gaskanal gerichtetes Ventil geöffnet, verengt und ganz geschlossen werden. Es bleibt mir nur noch übrig anzuführen, daß sich in der Decke der Lampe eine rinnenförmige Vertiefung befindet, die dazu dient, ein wenig Spiritus aufzunehmen, der beim Gebrauch der Lampe zuerst angezündet wird. Durch die Flamme des Spiritus wird das Benzin im Innern der Lampe vergast, das Gas strömt nach Oeffnung des Ventils aus dem Gaskanal aus und entzündet sich an der Flamme des Spiritus von selbst. Je länger die Lampe brennt, desto stärker wird die Hitze in ihrem Innern, desto stärker auch die Spannung der Benzindämpfe. Das Prinzip, welches dieser Lötlampe zu Grunde liegt, ist also dasselbe, wie das der vorhin beschriebenen einfachen Aeolipile. Um der Flamme der Lötlampe eine bestimmte Richtung zu geben, ist an ihr noch ein Brennrohr entweder in schräger oder auch in aufrechtstehender Richtung angebracht. Die beiden Teile, aus denen mein Apparat bestehen sollte, habe ich im Vorstehenden besprochen, meine Aufgabe bestand nun darin, diese beiden Teile miteinander in eine passende Verbindung zu bringen. Hierzu habe ich ein Rohr benutzt, dessen Weite es gerade noch zuließ, daß es über das Brennrohr geschoben werden konnte und somit eine Verlängerung desselben bildete. Dieses Rohr war nach vorn erweitert. Die Erweiterung hatte die Form einer mehrfach durchbrochenen zylindrischen Kapsel. aus der dann ein Asbestschlauch austrat, dessen Ende ein konisches dünnes Metallröhrchen trägt, wie es an den meisten Spritzen vorhanden ist. Dieses eben erwähnte Ansatzrohr brachte ich nun mit dem Gummitretgebläse dadurch in Verbindung, daß ich durch dasselbe vor seiner kapselförmigen Erweiterung rechtwinklig zu seiner Längsrichtung ein dünnes Eisenröhrchen führen ließ und über dieses den Gummischlauch des Tretgebläses streifte. Das Eisenröhrchen erhielt noch eine Verlängerung, die in der Achse des Ansatzrohrs verlief und bis zur Ausflußmündung des Asbestschlauches reichte. Hiermit war nun die Verbindung der beiden Teile des Apparates hergestellt. Zündet man nun die Lampe an, so wird nach kurzer Zeit das Brennrohr samt.seiner Verlängerung und dem in ihm verlaufenden dünnen Eisenröhrehen rotglühend, was man durch die durchbrochenen Stellen der Kapsel sehen kann. Die durch das heiße Eisenröhrchen geblasene kalte Luft wird beim Durchströmefl des Röhrchens in Heißluft verwandelt. Die Temperatur derselben steigt von Minute zu Minute erheblich und erreicht bald die Höhe von 100-110° C und darüber. Um die Temperatur der Heißluft zu messen, habe ich sie in einen geschlossenen Zylinder treten lassen und in das andere Ende, das mit einem durchbohrten Pfropfen verschlossen wurde, ein Thermometer gesteckt. An ihm ließ sich das Steigen des Quecksilberfadens bequem ablesen. Die Aerzte, welche die 0ßluftbehandlung bei Nasen-und Ohrenkrankheiten angewandt haben, sind über die Höhe der Temperatur von 50-70° C nicht hinausgegangen. Mein Apparat kann eine doppelt so hohe Temperatur liefern, als diejenige, welche für die Behandlung erforderlich ist. Die 'Ifatsache, daß die Messung der Heißlufttemperatur in einem geschlossenen Raume zu hohe Zahlen gibt, weil sich in ihm die Hitze anstaut, worauf Schreiber zuerst aufmerksam gemacht hat, ist von keiner Bedeutung für die Behandlung der Nase und des Ohres, well die hier verwandte Heißluft ebenfalls in geschlossene Hohlräume eintritt. Eine exakte Messung des Teiles der Temperatur, der auf die Stauung der. heißen Luft zurückzuführen ist, läßt sich schwer ausführen 916
doi:10.1055/s-0029-1187582
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