Das Gesuch
2002
Schweizerische Ärztezeitung
Seit vier Jahren gehört unser Institut zu den besten Steuerzahlern der Gemeinde, beschäftigt mehr als dreissig Mitbürger und trägt zum guten Ruf unser ländlichen, aber touristisch wichtigen Gegend bei. Aus diesem Grund ist meinen Mitarbeitern und mir völlig unverständlich, warum unser Baugesuch «Neues Stockwerk und Hausvergrösserung» diskussionslos und, wie Sie schreiben, «mit grosser Mehrheit» abgewiesen wurde. Ich kann es mir nur so erklären, dass Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren,
more »
... r unser Institut, dessen Präsident ich nun seit einiger Zeit bin, zu wenig informiert sind. Deshalb ist es für mich wichtig, Ihnen unser Schulungszentrum und dessen Zielsetzungen kurz vorzustellen. VOF ist die Abkürzung von «Vorbereitungsseminar für optimale Feriengestaltung». Vor sechs Jahren, zur Zeit der Gründung dieses gemeinnützigen Vereins, gingen wir von der bedenklichen Tatsache aus, dass der moderne Mensch immer mehr Mühe hat, seine Ferienzeit erholsam, gesund und umweltfreundlich zu gestalten. Eine Ferienhilfe oder, wenn Sie wollen, ein Ferienbeistand tut not, und es bedarf einer gewissen Wachsamkeit und Anstrengung, wenn der Urlaubsverlauf nicht restlos von den psychologisch zu wenig geschulten Animateuren bestimmt werden soll -ganz abgesehen davon, dass diese «Helfer» in erster Linie die Belange der Hotelbesitzer und der Souvenirladeninhaber im Auge haben, weniger aber das Wohl der Erholungssuchenden selbst. Vor gewissen Fakten sollten wir nicht die Augen verschliessen: Eine optimale Ferienverbringung ist heute tatsächlich nicht so einfach, wie vor zwanzig oder dreissig Jahren. Dort, wo man früher mit laienhaften, ja, zum Teil auch naiven Urlaubsvorstellungen relativ gut durchgekommen ist, entstehen zu unserer Zeit komplexe Verstrickungen und Probleme, die dementsprechend vielschichtiger Lösungsstrategien bedürfen. Ich möchte Ihre Zeit nicht mit detaillierten Überlegungen beanspruchen; zu Ihrer Orientierung erlaube ich mir, nur zwei Beispiele zu nennen, damit Sie sich ein plastischeres Bild von den Aufgaben unseres Hauses machen können: Es gibt arme Länder, es gibt reiche Länderunerfreulich und ungerecht, zweifelsohne, aber wahr; diesen Sachverhalt vermögen wir nicht zu verändern, wir müssen ihn akzeptieren -Faktum Nummer eins. Faktum Nummer zwei: Die wichtigsten Ströme des Urlaubsverkehrs fliessen, vor allem im Sommer, in Richtung arme Gegenden. Faktum Nummer drei: In diesen armen Ländern herrschen andere hygienische Verhältnisse als bei uns, und das Ergebnis heisst: Erkrankung der Verdauungsorgane. Sehr geehrte Damen und Herren, Hand aufs Herz: Welchen Erholungswert vermögen wir einer Freizeit abzugewinnen, in der wir leiden? Von welchen Regenerationsqualitäten können wir noch sprechen, wenn wir -geschwächt, blass, frische Unterwäsche schon längst verbraucht -nicht die Schönheiten des fremden Landes und die Eigenart seiner Bevölkerung wahrzunehmen im Stande sind, sondern, mit Diarrhöeproblemen fast pausenlos beschäftigt, nur an das Zuhause denken, an unsere saubere, nach Fichtennadeln duftende Intimräumlichkeit mit einwandfrei funktionierender Spülung und einer geblümten Feuchttüchleinschachtel? Bitte, keine falschen Mutmassungen, mit einer feindlichen Einstellung unterentwickelten Ländern gegenüber hat meine Faktendarstellung nicht das geringste zu tun, wer dies behaupten will, hat alles missverstanden. Wir suchen doch nur Wege und sinnvolle Massnahmen, um unseren Kunden, den zukünftigen Urlaubsanwärtern, zu helfen, die Ferienzeit tatsächlich gesund, erholsam und kreativ zu gestalten. Wie dies im Falle meines eingangs genannten gastro-intestinalen Beispiels konkret geschieht? Hier nur ein Hinweis, der den allgemeinen Rahmen unserer Hilfeleistung andeuten soll, ohne sich allzu ausführlich in die rein medizinische Seite zu vertiefen: Unsere Urlaubsanwärter durchlaufen, was das Essen anbelangt, drei Verpflegungsstufen, wobei sich die einzelnen Phasen im Grad der bakteriellen Reinheit unterscheiden. Auf Stufe 1 (sechs bis zehn Tage) bekommt man praktisch herkömmliche Ernährung, die nur mit geringen Mengen von Bakterium-Coli-Konzentraten verunreinigt sind. In der zweiten Etappe, in der ei-Korrespondenz: Dr. med. A. J. Koemeda «Breitenstein» CH-8272 Ermatingen Standpunkte
doi:10.4414/saez.2002.09120
fatcat:manuu7zdvzggbhqa4kisra6qtu