Gott spricht - wer hört zu? : auf dem Weg zu einer biblischen Theologie des Wortes Gottes [article]

Thomas Söding, Universitaet Tuebingen
2022
Die Klagen über die Schwerhörigkeit der Menschen sind alt. "Herr, wer hat unserem Wort geglaubt?", beschwert sich der Prophet Jesaja (Jes 53,1), und der Apostel Paulus pflichtet ihm bei: "Nicht alle haben dem Evangelium ihr Ohr geliehen, denn es heißt: Herr, wer hat unserem Wort geglaubt?" (Röm 10,16f.). Es sind immer die Gebildeten, die klagen, nicht das Ohr des Vol kes zu finden; es sind die Lehrer, die über die geringen Einschaltquoten der Schülerklassen Beschwerde führen; es sind die
more » ... , die sich über das Desinteresse der Lauen ereifern. Paulus und Jesaja gehören zu ihnen. Sie haben etwas auf dem Herzen, sie wollen etwas sagen; sie sind überzeugt, von Gott gesandt zu seinaber niemand hört auf sie. Woran liegt das? Paulus hakt im Römerbrief nach: "Der Glaube kommt vom Hören, und das Wort durch die Rede Christi! Haben sie etwa nicht gehört? Keineswegs! ,Auf der ganzen Welt ist ihr Ruf zu hören und bis an die Grenzen des Erd kreises ihre Stimme!" (Röm 10,17f.), so zitiert er aus dem Buch der Psal men (Ps 19,5).' An der Lautstärke und Reichweite der Propheten liegt es nicht. Woran liegt es dann, dass die Menschen nicht recht hören wollen? Viele, die Klage führen, haben schnell die Erklärung auf den Lippen, schuld sei der allgemeine Sittenverfall, die dauernde Ablenkung, der gras sierende Egoismus. Andere zerfleischen sich selbst, indem sie sagen, das Wort Gottes antworte auf Fragen, die niemand stelle, das Evangelium habe Worte, die niemand hören wolle. Beide Positionen verhindern eine echte Auseinandersetzung. Zwar gibt es sowohl die notorische Schwerhö rigkeit der Besserwisser als auch die Fremdheit des Gotteswortes, die viele irritiert. Aber nur darauf zu bestehen, führt ins Abseits. Es hilft viel weiter,
doi:10.15496/publikation-75854 fatcat:5lyy2delzjaszlakch36bum3uq