Wortbildung im Text und zum Text [chapter]

Norbert Richard Wolf
Sprachwissenschaft im Fokus  
Anhand authentischer Beispiele wird demonstriert, welche textkonstitutiven Funktionen Wortbildung und Wortbildungen haben (können) und wie sich textuelle Notwendigkeiten auf die Wortbildung auswirken (können). Seit dem österreichischen Bundeskanzler Bruno Kreisky gibt es in Österreich sehr häufig am Dienstag das Pressefoyer; nach den Sitzungen des Ministerrats, die regelmäßig dienstags stattfinden, gibt die Regierungsspitze seit 1971 im Foyer des Sitzungssaales des Ministerrates eine mehr oder
more » ... eniger formelle Pressekonferenz oder ein Pressegespräch. Seit der blau-schwarzen Koalitionsregierung sind es Kanzler und Vizekanzler, die vor die Presse treten; derzeit ist es üblich, dass diese beiden Personen von Stehpulten aus sprechen. Neuerdings, besonders im Gefolge der finanziellen Probleme um die Kärntner Bank Hypo-Alpe-Adria machen sich Kanzler und Vizekanzler beim Pressefoyer rar und schicken zwei andere Minister dorthin, die nichts zu sagen haben, am wenigsten zur Hypo-Alpe-Adria. Nach neuestem österreichischen Sprachgebrauch treten dann immer zwei Spiegelminister an die Öffentlichkeit, darauf werde ich noch zurückkommen. Es liegt in der Natur der Sache, dass die Journalisten, die auf Informationen aus erster und oberster Hand warteten, mit dem Ersatz durch die Spiegelminister nicht zufrieden waren. In der Online-Ausgabe der ,Salzburger Nachrichten' war zu lesen: "Künftig sollen ,anlassbezogen' auch die ,Spiegelminister' die Regierung vertreten. Konkret zu verkünden hatten sie bei der Premiere am Dienstag aber nichts." (www.salzburg.com/nachrichten/oesterreich/politik/sn/artikel/ pressefoyer, Stand: 3.3.2014). Am 18. Februar 2014 traten der Außenminister Sebastian Kurz und der Verteidigungsminister Gerald Klug vor die Presse. Auf die Frage, wann wieder der Bundeskanzler selbst dort auftreten werde, antwortete letzterer mit deutlich ostösterreichischer Färbung: "Da kann ich sagen, dass das mit Sicherheit sich situationselastisch entwickeln wird." (www.youtube.com/watch?v=NmlZrx4Ow94, Stand: 3.3.2014). Das Wort wurde dann in der öffentlichen Diskussion immer wieder zitiert und auch abgewandelt. Der Journalist Hans Rauscher schrieb in der Tageszeitung ,Der Standard':
doi:10.1515/9783110401592.231 fatcat:yljrv7owo5gpnclxe4iha73vhu