Patienten mit Arbeitsproblemen: Wie Hausärzte helfen können
Niklas Baer, Peter Ettlin, Alexander Minzer
2019
Primary and Hospital Care
Psychosomatische und Psychosoziale Medizin Psychische Probleme sind eng verknüpft mit Arbeitsproblemen, sei es, weil psychische Störungen oft zu Einschränkungen der Arbeitsfähigkeit, Produktivität und zu Absenzen führen oder sei es, weil Spannungen am Arbeitsplatz oder schlechte Arbeitsbedingungen psychisch belastend sind. Diese engen Zusammenhänge zwischen Arbeit und Gesundheit sind für Hausärztinnen und Hausärzte wichtig, weil sie häufig und auch tiefgreifend sind: Rund 25% der Bevölkerung im
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... erwerbsfähigen Alter weisen im Verlaufe eines Jahres mindestens eine diagnostizierbare psychische Störung auf, und von diesen sind rund 75% erwerbstätig. Bei den erwerbstätigen psychisch Kranken zeigen wiederum drei Viertel eine reduzierte Produktivität bei der Arbeit [1]. Viele psychiatrische Patient/-innen haben Arbeitsprobleme Aus einer kürzlich durchgeführten Befragung [2] aller privaten und institutionell tätigen Psychiaterinnen und Psychiater in der Schweiz wissen wir, dass ein Drittel aller erwerbstätigen Patientinnen und Patienten aktuellere relevante Arbeitsprobleme hat, ein Viertel aktuell arbeitsunfähig geschrieben ist und rund 10% akut von Arbeitsplatzverlust bedroht sind. Gesamthaft muss man davon ausgehen, dass mindestens 40% der erwerbstätigen psychiatrischen Patient/-innen relevante Probleme im Lebensbereich Arbeit haben. Hinzu kommen die vielen Patientinnen und Patienten, die arbeitslos, sozialhilfeabhängig oder invalidisiert sind. Auf der anderen Seite hätten laut Psychiatern rund 20% aller IV-berenteten und sozialhilfeabhängigen Patient/-innen aktuell das Potenzial für eine (Teil-)Er-werbstätigkeit, nutzen dieses Potenzial jedoch nicht aus, weil sie «aufgegeben» oder «kein Selbstvertrauen» mehr hätten. Das macht deutlich, wie wichtig eine möglichst frühe Intervention bei Arbeitsproblemen ist -solange die Patienten noch nicht resigniert haben. Erwerbstätigkeit ist psychisch protektiv Erwerbstätigkeit ist mehr als nur einer von vielen sozialen Bereichen, wo Patient/-innen Probleme aufweisen können -es ist wohl der wichtigste. Erwerbstätigkeit ist nicht nur finanziell existentiell wichtig, sondern auch für die Genesung, die Lebensqualität und die Gesundheit allgemein. Arbeitslose, invalidisierte oder inaktive Patient/-innen sind unabhängig vom Schweregrad ihrer Erkrankung viel länger in Behandlung als erwerbstätige Patient/-innen, genesen deutlich schlechter und berichten über eine geringere Lebensqualität und einen schlechteren Ge sundheitszustand [1, 3]. Dies ist nachvollziehbar, wenn man bedenkt, was Erwerbstätigkeit alles mit sich bringt: Das Erleben, in der Gesellschaft dazuzugehören, nützlich und kompetent zu sein und Kontakte sowie Tagesstruktur und «Freizeit» zu haben. Arbeitsplatzerhalt ist einfacher als Reintegration Hausärztinnen und Hausärzte wissen das alles und sind zudem sehr häufig explizit mit derartigen Fragestellungen konfrontiert, beispielsweise bei Patientinnen und Patienten, die ein Arbeitsunfähigkeitszeugnis wünschen oder bei denen sich ein solches aufdrängt. Die Frage ist jedoch, ob und gegebenenfalls wie man Viele Patientinnen und Patienten mit psychischen Problemen haben gleichzeitig Arbeitsprobleme -sei es am Arbeitsplatz, beim Wiedereinstieg aus der Arbeitsunfähigkeit oder weil sie keine Arbeit haben. Eine neue Broschüre gibt Hausärztinnen und Hausärzten Hintergrundinformationen und unterstützt sie in der Situationsbeurteilung mit einer kurzen Checkliste.
doi:10.4414/phc-d.2019.10157
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