Kooperation als erster Schritt zur Wissensintegration. Die pädagogische Herausforderung moderner Gesellschaften? 1 Das Problem
Ulrike Buchmann
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Ein Charakteristikum moderner Gesellschaften sind Kontradiktionen, die Unsicherheiten und Ängste nach sich ziehen, mit denen auf individueller Ebene umzugehen ist, die bewältigt, mindestens aber ausgehalten werden müssen. Die Antinomien der Moderne stellen eine beachtliche gesellschaftliche Herausforderung an individuelle Bewältigungsstrategien dar, die in angemessener Weise in den unterschiedlichen Sozialisations-und Erziehungsphasen ange-legt bzw. gefördert werden müssen. Mit der Formulierung
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... eines solchen Anspruchs kommt der Erziehungswissenschaft eine spezifische Vermittlungsfunktion zu, die angesichts jüngster gesellschaftlicher Veränderungen zusätzliche Bedeutung erhält: Die aktuelle Umbruchs-und Reorganisationsphase ist u. a. durch Entmischungsprozesse 1 gekennzeichnet, die im Gegen-standsbereich berufs-und wirtschaftspädagogischer Forschung zur Auflösung traditioneller Betriebstypen und der darauf gegründeten kaufmännischen und gewerblichen Sacharbeit füh-ren. Die Formen gesellschaftlicher Arbeitsteilung und ihre Kombinatoriken verändern sich auf multidisziplinärem Niveau und stellen damit die traditionelle Berufsstruktur sowie nach-folgend die ihr zugrunde liegende spezifische monostrukturelle Fachlichkeit in ihrer beste-henden Konstellation in Frage. Realempirisch beobachtbare Phänomene der Entkopplung von Beruf und Tätigkeit sowie erworbener Zertifikate und Entlohnung verstärken gesellschaftli-che Unübersichtlichkeit und die Intransparenz von Strukturen und Prozessen ebenso wie reorganisierte Zeit-, Quantitäts-, Qualitäts-, Entlohnungs-und Verfügungsstrukturen und die zahlreichen Varianten zur Freisetzung von Arbeitskraft. Die Veränderungen der Erwerbs-arbeit in der Moderne werden als Gegenstand industrie-und dienstleistungssoziologischer Forschung (vgl. z. B. KERN/SCHUMANN 1970, 1984; BAETGHE/OBERBECK 1986) seit etwa 50 Jahren vor allem unter Polarisierungs-und Segmentationsgesichtspunkten sowie als Paradigmenwechsel in der Arbeitsorganisation und den damit veränderten Handlungsoptio-nen der Beteiligten diskutiert. Das hat zur Folge, dass auf individueller Ebene Ängste und Unsicherheiten entstehen bzw. weiter verstärkt werden. Solchen Unsicherheiten kann nur mit Aufklärung und Schaffung von Transparenz begegnet werden, die an die Zusammenführung, Integration und Aufbereitung unterschiedlichster Wissensbestände in Bildungsprozessen gebunden sind. Damit ist eine anspruchsvolle curriculare Aufgabe an die Erziehungswissen-schaft formuliert, die es im Kontext interdisziplinärer Fragestellungen und Forschungsansätze zu bewältigen gilt. Fakt ist allerdings, dass erziehungswissenschaftliches Handeln bei routi-nemäßig anstehenden curricularen Gestaltungsaufgaben-aufgrund nicht vorhandenen wis-senschaftlich fundierten Regelwissens-überwiegend auf Erfahrungswissen beruht. Damit 1 Am Beispiel Call Center haben wir die Systematik von Entmischungsprozessen unter der Perspektive beruflicher Bildung aufgezeigt (HUISINGA/BUCHMANN 2002).
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