Stellungnahme zur Wirksamkeit des Mammographiescreenings in der Schweiz

2001 Schweizerische Ärztezeitung  
Schweizerische Ärztezeitung / Bulletin des médecins suisses / Bollettino dei medici svizzeri •2001;82: Nr 13 655 Editores Medicorum Helveticorum Zusammenfassung Im Januar 2000 publizierte «The Lancet» einen von Gøtzsche und Olsen verfassten Artikel [1], der die Wirksamkeit des Mammographiescreenings anzweifelte. Die Schweizerische Krebsliga, zu deren Aufgaben die Ausarbeitung nationaler Krebsbekämpfungsprogramme gehört, beauftragte eine Arbeitsgruppe, eine epidemiologische Analyse dieses
more » ... s zu erstellen. Aufgrund dieser Analyse und nach erneuter vertiefter Sichtung der Literatur zur Wirksamkeit dieser Vorsorgeuntersuchung nehmen die Verantwortlichen und die Fachexperten der schweizerischen Institute für Sozial-und Präventivmedizin sowie der wichtigsten Organisationen in der Krebsbekämpfung zu den aufgeworfenen Fragen Stellung. In den Industrieländern ist Brustkrebs ein vordringliches Problem im Gesundheitswesen: Die Wirksamkeit des Mammographiescreenings wurde weltweit nicht nur in zahlreichen randomisierten Studien an insgesamt fast einer halben Million Frauen untersucht, sondern auch in anderen epidemiologischen Studien (Kohorten-oder Fallkontrollstudien). Obschon jede der durchgeführten Studien methodische Mängel aufweist (die ausführlich diskutiert wurden), lässt letztlich die Übereinstimmung der Ergebnisse den Schluss zu, dass das systematische und wiederholte Screening mittels Mammographie die Brustkrebsmortalität bei Frauen ab 50 Jahren deutlich senkt. Diese präventive Intervention entspricht damit den Kriterien der «Evidence-based Medicine». Alle Länder der Europäischen Union haben angefangen, Pilotprojekte einzuführen (ausgenommen Österreich), wobei auf kostenlosen freien Zugang und auf eine qualitätsgesicherte Untersuchung geachtet wurde. Durch Einhaltung der europäischen Leitlinien für die Qualitätssicherung des Mammographiescreenings und dank den von den beteiligten Fachpersonen gewonnenen Erfahrungen konnten die negativen Wirkungen des Screenings, vor allem die Rate unnötiger Folgeuntersuchungen wegen falsch positiver Resultate, erheblich reduziert werden. Obschon die Wirksamkeit des Brustkrebsscreenings bei Frauen über 50 Jahren für die Mehrheit der Fachleute ausser Frage steht, bestreiten einige Opponenten dessen Nutzen und stellen die negativen Wirkungen des Screenings (hauptsächlich die falsch positiven Ergebnisse) und die als prohibitiv beurteilten Kosten in den Vordergrund. Ein von Gøtzsche und Olsen im Januar 2000 publizierter Artikel [1] zweifelt sogar die Wirksamkeit der Mammographie an: Die Autoren kritisierten die methodische Qualität jener randomisierten Studien, auf die sich die wichtigsten Wirksamkeitsbelege des Screenings stützen. Die Argumente und Schlussfolgerungen dieses Artikels wurden unverzüglich von zahlreichen Fachleuten widerlegt. Dennoch hat diese Publikation in der Schweiz die Einführung weiterer kantonaler Programme und eines nationalen Screeningprogramms zusätzlich verzögert. Nach eingehender Prüfung der von Gøtzsche und Olsen vorgebrachten Argumente drängt sich die Schlussfolgerung auf, dass sie die Wirksamkeit des Mammographiescreenings nicht in Frage stellen können. Dank Daten aus Finnland, England und den Niederlanden weiss man heute, dass Screeningprogramme die Brustkrebsmortalität tatsächlich und in Übereinstimmung mit den Beobachtungen aus den randomisierten Studien senken können. Die dringendste Frage in der Schweiz ist deshalb, wie diese Untersuchung in grossem Massstab, sozial gerecht und wirtschaftlich akzeptabel angeboten werden kann. Dabei ist die Entscheidungsfreiheit der Frau zu respektieren, und optimale Qualitätskontrollen und permanente Evaluation der Wirksamkeit müssen gewährleistet sein. Die dafür notwendigen Massnahmen müssen unverzüglich eingeführt werden. Ganz konkret geht es darum, jedes Jahr mehrere hundert Brustkrebstodesfälle zu vermeiden.
doi:10.4414/saez.2001.08071 fatcat:fc4ixmbxvfdd3mp37j6ohb5cxq