5Regionale Disparitäten und strategische kommunale Wirtschaftsförderung – aktuelle Herausforderungen und Handlungsansätze am Beispiel der Stadt Dortmund [chapter]

Udo Mager, Stefan Röllinghoff
2009 Strategische Wirtschaftsförderung und die Gestaltung von High-Tech Clustern  
Wer überall ist, ist nirgendwo." (Seneca) 5.1 Warum überhaupt (kommunale) Wirtschaftsförderung? Dass Regionen und Städte -auch innerhalb eines Nationalstaates, eines Bundeslandes oder anderer übergeordneter räumlicher Einheiten -dauerhaft und mitunter sehr unterschiedliche volkswirtschaftliche Leistungskennzahlen aufweisen, ist nach gegenwärtigem Forschungsstand v.a. ein Resultat pfadabhängiger regionalökonomischer und soziokultureller Entwicklungen und im Ergebnis natürlich nichts Neues. Auch
more » ... nnerhalb von Städten zeigen sich bekanntlich gravierende, z.T. räumlich recht markante Disparitäten. So sprechen Butzin et al. (2006) z.B. von der Schnellstraße 'B1' als "Wohlstandsäquator", der verschiedene Städte des Ruhrgebiets in einen "armen" Norden und einen "reichen" Süden teilt, wobei die spezifischen räumlichen Problemlagen auf kommunaler Ebene lange Zeit schwerpunktmäßig eher aus Sicht und in Zuständigkeit der Stadtentwicklungs-und Sozialpolitik und nur in Teilsegmenten unter Wirtschaftsförderungsgesichtspunkten bearbeitet wurden. Wir werden später darauf zurückkommen. Räumliche Disparitäten sind eine empirische und historische Tatsache, die als solche politisch auch kaum beklagt wird, zumindest solange nicht einzelne Regionen oder Städte offenkundig gravierend abzurutschen drohen. Gäbe es keine räumlichen regionalökonomischen Unterschiede, so gäbe es auch keine Notwendigkeit zu einer ausgleichsorientierten und räumlich fokussierten Wirtschaftspolitik unterhalb der nationalen oder supranationalen Ebene (d.h. Regional-bzw. Strukturpolitik), und letztlich auch keine Notwendigkeit zu regionalökonomischer Forschung. Trotz eines zumindest in Deutschland vergleichsweise hohen Wohlsstandsniveaus gilt auch heute noch: Regionale Disparitäten sind eine "bleibende Herausforderung" (Maretzke 2006), https://doi.org/10.5771/9783845215822-71 Generiert durch IP '207.241.231.81', am 20.03.2020, 23:29:20. Das Erstellen und Weitergeben von Kopien dieses PDFs ist nicht zulässig. 72 deren Abbau folglich ein bleibendes Ziel. 18 Auch und gerade in diesem Zusammenhang bleibt darum die Frage aktuell: Gleichen sich die ökonomischen Unterschiede zwischen Regionen irgendwann -von selbst -aus (Konvergenzthese), oder müssen wir mit dauerhaften Qualitäts-und Entwicklungsunterschieden leben (Divergenzthese)? Letzteres auch deshalb, weil räumliche Spezialisierung der gesamtwirtschaftlichen Wohlfahrt dienlich sein sollte. 19 Mit dieser Frage beschäftigten sich Ökonomen und Regionalforscher schon seit vielen Jahrzehnten. Wagner (2008) fasst das aus seiner Sicht wesentliche Ergebnis dieser Bemühungen wie folgt zusammen: "Regionalentwicklungen verlaufen teils konvergierend und teils divergierend." Diese Erkenntnis -so lapidar und intuitiv plausibel sie auch scheinen mag -ist alles andere als selbstverständlich, denn lange Zeit tendierten einige Ökonomen (und auch einige bekannte Politiker) entweder eher zur Konvergenz-oder zur Divergenzthese. Die (empirische) Wahrheit scheint alsowie so oft -irgendwo "in der Mitte" zu liegen, in dem Sinne, dass die vorliegenden Erkenntnisse räumlich und zeitlich differenziert zu betrachten sind. Gleichwie verleitet die Schlussfolgerung Wagners zu vorsichtigem Optimismus, nicht zuletzt auch aus Sicht der kommunalen bzw. regionalen Wirtschaftsförderung. Doch wer schafft den Anschluss -und wer bleibt auf der Schattenseite? 5.1.1 Regionale Disparitäten -Schicksal oder gestaltbar? Zeitreihenanalysen belegen, dass sich regionalökonomische Kennzahlen und Indikatoren in der Regel in mehr oder weniger enger Kopplung mit nationalen oder globalen Konjunkturverläufen bewegen, regionale antizyklische Sonderwege sind zwar möglich, aber ausgesprochen selten. D.h. regionale Entwicklungsprozesse sind in empirischer Perspektive grundsätzlich ausgesprochen träge (Fritsch/Mueller 2008).
doi:10.5771/9783845215822-71 fatcat:mnucsdzykne4vivblbqquxnn7m