Telefonieren als besondere Form gedehnter Äußerung und die Veränderung von Raumbegriffen im frühen 20. Jahrhundert [chapter]

Werner Konitzer
Ortsgespräche  
Wohl die meisten derjenigen Besonderheiten unserer Konzeptualisierungen räumlicher Gegebenheit, von denen man vermuten könnte, dass sie erst mit der »leichten Möglichkeit des Telefonierens« in die Welt gekommen sind, lassen sich wahrscheinlich angemessener in Verbindung bringen mit der bereits viel früher ausgebildeten Fähigkeit, Äußerungen über räum-1 liche und zeitliche Entfernungen hin zu dehnen. Bereits Tiere können Spuren lesen und »setzen«; aber die für den Menschen charakteristische 1 |
more » ... onrad Ehlich hat, um die Besonderheit der brieflichen, der telegrafischen, der schriftlichen Kommunikation in pragmatischer Hinsicht zu beschreiben, den Begriff der zerdehnten Sprechsituation eingeführt. Ich ändere hier den Terminus deshalb ein wenig ab, weil der Begriff, so wie Ehlich ihn vorschlagen hat, allzu sehr die Auffassung einer vorgegebenen Situation suggeriert. Gewiss, wenn die Leitungen einmal gelegt, die Postwege eingerichtet sind, dann erscheinen die Formen gedehnter Äußerung allein als Mittel, in einer bestimmten Situation, die durch die raumzeitliche Abwesenheit anderer Kommunikationspartner charakterisiert ist, eine Verbindung herzustellen. Andererseits aber ist diese Situation, in der die gedehnte Äußerung als bloßes Mittel zur Herstellung einer durch raumzeitliche Entfernung zerrissenen Verbindung erscheint, nicht schlicht vorgegeben, sondern von der Äußerungsform mit bestimmt. Vgl. dazu Konrad Ehlich: »Funktion und Struktur schriftlicher
doi:10.14361/9783839403129-008 fatcat:3a6gkjvyfzerxpxjnwkbkgpsru