Weitere Mitteilungen über die Zerlegung des Wassermannaggregates und Ihre Anwendungsfähigkeit zur Bestätigung der Positiven Wassermannschen Reaktion
A. Wassermann
1922
Klinische Wochenschrift
Die Kultur der Spirochaete pallida ist schon 6fters gelungen, wir erw~hnen besonders SCHERESCHEWSKYe), MOH-LENSe), NOGUCHI4), W. H. HOFFMANNS), SOWADE6), SHMA-MINET), TOMASCZEWSKI s) IX~AKANO 9) und andere mehr. Aber diese Kulturen besagen doch immer einen Seltenheitswert. Vor allem ist der ]3eweis, dab man eine echte Spirochaete pallida gezfichtet hat, erst dann roll erbracht, wenn sich mit ihr bei Versuchstieren wiederum Syphilis erzielen l~Bt. Diese Forderung ist heute um so n6tiger, als wir
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... durch die Untersuchungen, besonders yon UHLENHUTH und ZUELZER 10) wissen, dab Spiroch/iten, und zwar auch solche, welche morphologisch von der echten Spirochaete pallida kaum zu unterscheiden sind, /iuBerst verbreitet in der Natur vorkommen. Die demonstrierten Kulturen in ilfissigen und halbfliissigen N~hrbSden sind das Ergebnis 4--Sj/ihriger Arbeit, wobei wit durch die unermfidliche und sorgf~ltige Arbeit der Laboratoriumsassistentinnen Fr/~ulein HUMMEL und Fr/tulein SIE-VERS anf das wertvollste unterstiitzt wurden. Von etwa 8o his 9o Prim~raffekten, ffir deren Uberlassung wir den Kollegen Professor BRUHNS, t?RANK, BLUMENTHAL und JOSEPH besonders dankbar sind, gelang es, sieben Reinkultursts zu gewinnen. Besonderen Wert m6chten wir dabei auf die als 13 3 6 bezeichnete Kultur legen, mit welcher es ge!ungen ist, typische Syphilis am Kaninchen zu erzielen. Dieser Stamm lggt sich auch heute noch yon Tier zu Tier fortpflanzen. Da die Tiere mit einer Reinkultur infiziert wurden, so handelt es sich dabei im Kaninchen um ein yon alien Begleitbakterien reines Spiroch/itenvirus, das sich ffir experimentelle Untersuchungen besonders eignet. In jfingster Zeit ist es nun, was unseres Wissens bisher noch niemals gelungen ist, dem einen yon uns (FIcKER) m6glich gewesen, den mittels Reinkultur experimentell gewonnenen Kaninchenstamm nun auch wiederum aus dem Kaninchen in lReinkulturen darzustellen. Es haben sich dabei recht interessante Einzelheiten fiber biologische und zfichterische Ver~nderungen des Stammes ergeben, auf die in einer besonderen Arbeit bei Gelegenheit eingegangen werden soil. Wit haben versucht, mittels dieser Reinkulturen in flfissigen N/~hrmedien auch etwas Ns fiber die Giftstoffe der Spirochgten zu erfahren; bisher ist es uns aber nicht gelungen, Toxine nachzuweisen, weder allgemein wirkende Gifte, noch aueh die Bildung von Hs Wir werden abet diese letztere Frage noch an anderen Reinkulturen zu verfolgen haben, denn sie ist ganz besonders bedeutungsvoll ffir das praktisch und pathologisch so wichtige Problem, ob die Spiroch/~te ein ffir das Nervensysfem pathogenes Stoffwechselprodukt zu bilden imstande ist. Viele Autoren sind ja geneigt, beispielsweise die Sehnervenatrophie als die Wirkung eines derarfigen Neurotoxins der Spirochs anzusprechen. Da u~s aber keine Mikroorganismen bekannt sind, die ein neurotropes Gift bilden, ohne gleichzeitig auch ein HS.molysin hervorzubringen --es sei in dieser Hinsicht nut an die Gifte aus der Gruppe der Gas-~) Die nachfolgenden im Kaiser-Wilhelm-Institut fiir experimentelIe Therapie ausgefiihrten Arbeiten sind in der Hufelandisehen Gesellschaff zu Berlin am 9. Mfirz 1922 zur Mitteilung gelangt. Da sie in einem kurzen Referat nicht gentigend Mar wiederzugeben siud, so erfolgt mit freundlicher Bewilligung der Sehriftleitung die Ver6ffentlichung in Gestalt kurzer Originalmitteilungen. WISSENSCHAFTLICHE MITTEILUNGEN. branderreger oder des Tetanus erinnert, so W~l-e es ffir diese Auffassung besonders wichfig, eine etwaige H~molysinbildung seitens der Spiroch~ten nachzuweisen. Selbstredend legte die Gewinnung dieser durch gelungene Tierfibertragung als Mchere Syphilisspiroch~te erkannten Reinkultur den Gedanken nahe, auch klinische Untersuchungen darfiber anzustellen, ob nicht etwa eine mit der SMvarsankur kombinierte Vaccinebehandlung yon Luetikern therapeutisch Nfitz]iches leisten k6nne. In dieser Hinsicht haben sich bereits verschiedentlich hervorragende Autorit~ten, wie beispielsweise R. KRAUS 1), R. M~LLER~), HILGERMANN 3) und andere f fir eine solche Behandlung mit spiroch/itenhaltigem Material ausgesprochen. Aus Mangel an Reinkulturen konnten diese Autoren indessen nur mit Aufschwemmungen yon spiroch~tenhaltigen, menschlichen Syphilisprodukten arbeiten. Nach dieser Richtung bedeuten siehere flfissige Reinkulturen, die sich dosieren lassen, einen bedeutenden Fortschritt. Es wird vor allem darauf ankommen, festzustellen, wie sich das Verschwinden der WaR. sowie das Erscheinen yon Rezidiven bei einer solchen kombinierten Vaccino-und Chemotherapie gestMtet. Es w~re nicht unm6glich, dab man beim Einverleiben von abget6teten Spiroch~ten in Verbindung mit dem spirillociden Salvarsan spirillocide Antik6rper in vermehrtem MaBe hervorzurufen imstande ist, und dal3 diesen dann f/ir den weiteren Verlauf der Infekti0n eine besondere Rolle zuf/illt. Derartige kli~ nische Versuche sind s~it etwa I ~/2 Jahren im Gange. Es ist aber naturgem/il3 ungemein schwer, sich heute bereits ein Bild darfiber zu entwerfen, inwieweit diese Kombination der Chemotherapie mit der Bakteriotherapie einen Fortschritt bedeutet. Insbesondere die wichtigste Frage, ob die Rezidive sowie sps Erkrankungen dabei seltener werden, wird sich erst nach Jahren an einem gut be0bachteten Material entscheiden lassen, und es wird hierzu der ziel-bewuBten Arbeit und Beobachtung seitens weitester ~rztlicher Kreise bedfirfen. Jedenfalls dfirfte es nicht falsch prophezeit sein, dab in etwa IO Jahren die heute fibliche Syphilisbehandlung sehr schematisch erscheinen dfirfte, und dab den Problemen der Latenz, also der Allergie der Gewebe, dem Vorhandensein yon agglutinierenden und spirillociden Substanzen im Serum, die ganz verschieden yon derjenigen sind, welche die WASSERMANNSChe Reaktion bedingt, aueh in der Praxis welt gr6Bere Aufmerksamkeit wird gesehenkt werden mfissen. Es scheint das Problem gewisser Affektionen, die im Verlaufe und im AnschluB an Syphilis auffreten, wie z. B. die Vers an der Aorta, mit diesem biologischen KrMtespiel zwischen Spiroch//ten, spirillociden Antik6rpern und spezifischer Gewebsallergie zusammen zu h/ingen. Ffir das exakte experimentelle Studium dieses Forschungsgebietes sind aber Spiroch/itenreinkulturen in flfissigen N/ihrmedien erste Bedingung, und~deshalb halten wires nicht ffir ausgeschlossen, dab diese zun/ichst rein bakteriologischen Befunde in ihrer weiteren Auswirkung auch zu einiger praktisehen Bedeutung gelangen k6nnen.
doi:10.1007/bf01771560
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