Rehfeld, Bernhard: Todesstrafen und Bekehrungsgeschichte : zur Rechts- und Religionsgeschichte der germanischen Hinrichtungsbräuche. - Berlin: Duncker & Humblot, 1942

Karl Weinzierl
2014
Diese Münchener juristische Habilitationsschrift setzt sich hauptsächlich mit der durch Karl von Amira eindrucksvoll begründeten Sakraltheorie auseinander, wonach die germanischen Todesstrafen Opfer an die Götter waren und in der den einzelnen Göttern gebührenden verschiedenen Form vollstreckt werden mußten. Dazu hat sich schon Ulrich Stutz bei der Besprechung von Amiras Werk, Die germanischen Todesstrafen (1922), skeptisch geäußert. Verf. prüft nun die Richtigkeit der Theorie nach, indem er
more » ... Frage stellt: Waren die Todesstrafen bei den Germanen zur Zeit ihrer Bekehrung Götteropfer? Er kommt zu folgenden abweichenden Ergebnissen. Die quellenmäßige Untersuchung aller Martyrien hat zwar bei den Slaven und Balten einiges zugunsten der Theorie erbracht, nicht aber bei den Germanen, wo in keinem Fall auch nur angedeutet wurde, der Missionär sei den Göttern geopfert worden. Die wenigen verhängten Todesstrafen wurden von den Germanen zur Bekehrungszeit nicht als Götteropfer empfunden und auch nicht von den Christen als solche aufgefaßt. Daher hat die Kirche die germanischen Todesstrafen nicht zurückgedrängt. Innere Ünwahrscheinlichkeiten sprechen überhaupt gegen ein sakrales Strafsystem der Germanen. Die Verknüpfung bestimmter Hinrichtungsarten mit bestimmten Verbrechen (z. B. Rädern fü Mörder, Hängen für Diebe, Enthaupten für Räuber, Verbrennen für Zauberer) bei den verschiedenen Germanenstämmen wurde von Amira richtig festgestellt, muß aber nicht auf ein gemeingermanisches Urrecht zurückgeführt werden. Beim Strafvollzug spielten irrationale Motive eine große Rolle, zwar nicht so die Beschwichtigung des Zorns der Götter als vielmehr die Anwendung eines Zaubers zur Wiedergutmachung des Verbrechens, zur Reinigung des Täters und zur Abwehr eines drohenden Unheils. Die mei-
doi:10.5282/mthz/439 fatcat:nrtngv3bqfbgdadcyy4fzmirqy