Ueber die Behandlung der Krampfadern und ihrer Folgezustände. II. (Schluß aus Nr. 25.)
Th. Voeckler
1922
Deutsche Medizinische Wochenschrift
in Halle a. S. (Schluß aús Nr. 25.) Il.. Das ft Unzureichende und Belästigende der konservativen Therapie hat schon frühzeitig die Suche nach radikaleren Behandlungsmethoden eingeleitet. Die operative Therapie ist schon vor Trend ele n burg geübt worden. Celsus hat schon variköse Venenknoten ausgeschnitten. Die Umstechung der Varizen ist bereits von Ve IP eau, später Schede empfohlen worden. Aber erst durch Tre.ndelenburg ist die chirurgische Therapie der Varizen auf physiologische Grundlagen
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... stellt worden. Die Trendelenburgsche Operation besteht in der doppelten Unterbindung des Stammes der Vena saphena magna, die man mit Längsoder Querschnitt freilegt, und Resektion eines Stückes des Gefäßes. Der Querschnitt ist vorzuziehen, da er nach Belieben verlängert werden kann, um evtl. kollaterale Venen mit zu erfässen. Die Operation in dieser einfachen Form soll nur dort aus-geführt werden, wo durch Anstellung des Trendeienburgschen Versuches Insuffizienz der Venenklappen nachgewiesen ist. In diesen Fällen ist sie aber auch, wie hundertfältige Erfahrung gezeigt hat, von sehr segensreicher Wirkung und hat sich, unbeschadet der empfohlenen Modifikationen, unbestrittenes Bürgerrecht in der Chirurgie erwOrben. Nach der Operation pflegen alle von der Rückstauung des Blutes ausgehenden Beschwerden zu verschwinden oder doch ganz wesentlich zurückzugehen und Geschwüre zur Vernarbung zu gelangen. Die einfache Trendelenburgsche Operation hat nach den Angaben der Literatur 20-300/o Mißerfolge, die sich wohl zum Teil daraus erklären, daß man in der Auswahl der Fälle nicht streng genug verfahren ist, evtl. bei doppelter Saphena die eine übersehen hat, vielleicht auch technisch nicht richtig vorgegangen ist, zum Teil auch auf echter Rezidivbildung beruhen. Es ¡st nachgewiesen worden, daß sich an der Resektionsstelle Venenkonvolute bilden können, die eine Ueberbrückung der ausgeschalteten Veneristrecke herbeiführen und damit natürlich den Erfolg der Operation illusorisch maclien können. Aus diesem. Grunde hat sich die Trendelenburgsche Operätion im Laufe der Jahre einige Modifikationen gefallen lassen müssen, die darauf hinauslaufen, die verhängnisvolle Saphena auf eine größere Strecke hin unschädlich zu machen. und die Operation auch passend zu gestalten für die Fälle, in denen der Trendelenburgsche Versuch nicht positiv ausfällt. Viele Chirurgen begnügen sich, nebçn der Unterbindung und Resektion der Saphena am Oberschenkel größere Venenkonvolute am Beine zu exzidieren. Madelung entferñt den ganzen Stamm der Saphena (Säphen. ectomia totalis) samt allen erweiterten aesten von mehreren langen Haútschnitten aus. N a r a t h 1) zieht die Saphena von mehreren kleinen Haut. schnitten möglichst in ganzer Länge heraus. Viel geübt wird in neuerer Zeit die Operation nach l3abcock2). B a b c o c k löst die Vene you zs.vei oder mehreren kleinen Hautschnitten in der Weise heraùs, daß er nach Unterbindung an typischer Stelle in das peripherische Venenlumen eine am Ende geknöpfte biegsame Sonde einführt und soweit-als möglich im Venenrohre vorwärtsschiebt. Mitunter gelingt es, bis zum Unterschenkel herabzukommen. Gleitet die Sonde nicht weiter, so wird auf dem Sondenknopf eingeschnitten, das proximale Venenende am herausragenden Sondeneiidè, das gleichfalls geknöpft ist, befestigt, und die Vene unter Um-und Einstûlpung in sich selbst peripheriewärts herausgezogen; in dieser Weise dringt man weiter bis zur Kriöchelgegend vor. Die Blutung aus den Seitenästen steht durch Kompression und Hochlagerung. Ein schonenderes Vorgehen, das jedoch an Radikalität kaum hinter den genannten Verfahren zurückstehen dürfte, hat Kocher (1. e.) empfohlen. Kocher unterbindet hoch oben an der Einmündungsstelle in die Vena femoralis die Saphena, ohne sie zu resezieren, und umstíclit perkutan sämtliche erweiterte Venenstrecken mit einem zweimal durch die HaLlt geführten feinen Seidenfaden, den er auf der Haut knotet. Er legt bis zu 200 Ligatuen vorn Oberschenkel bis zum Fuße an und sucht auch möglichst alle Seitenäste zu umstechen. Das Verfahren bezweckt, wie die Madelungsche und Babcocksche Operation, eine Ausschaltung der ganzen Saphena in offensichtlich wesentlich einfacherer Weiäe. Ein besonderer Vorzug des Verfahrens aber ist der, daß die Patienten nicht zu liegen brauchen bzw. schon am 2. Tage das Bett verlassen können. Wenn man bedenkt, daß nach der Trendelenburgschen Unterbindung oder den größeren Eingriffen nach Madelung und Babcock die Kranken 14 Tage bis 3 -Wochen liegen müssen, so muß man allerdings sagen, daß mit dem Kocherschen Verfahren doch recht viel gewonnen ist, und es ist anzunehmen, daß die Varizenkranken unter solchen Umständen sich leichter zur operativen Beseitigung ihres Leidens entschließen werden als früher. Auch KIapp8), der bisher ein eifriger Anhänger der Babcockschen Operation war, scheint jetzt das Kochersche Verfahren akzeptieren zu wollen, das er dahin modifiziert hat, daß er mittels eines Kunstgriffes die Venenligaturen subkutan verlagert. Ich selbst bin für die Fälle mit deutlicher Klappeninsuffizienz der Trendelenburgschen Operation treu geblieben, die ich allerdings mit Exzision besonders großer vortretende.r Venenkonvolute verbinde, -und habe keine Veranlassung, mit meinen Erfolgen unzufrieden zu sein. -Für schwere Fälle und solche mit nicht. deutlich positivem Trendelenburg möchte auch ich die Babcocksdie -Operation empfehlen, an deren Stelle evtl. die perkutanen Venenumstechungen nach Kocher tretén können. Wenig geübt und nur der Vollständigkeit halber zu erwähnen sind noch Verfahren die das, Saphenablut direkt durch Gefäßanastornose in die tiefen \enen (C o e n e n 4)) oder in die Femoralis unterhalb einer schlußfähigen Klappe einleiten (Delbet); sie haben in Deutschland eine weitere Verbreitung nicht gefunden. Einer besonderen Besprechung bedarf noch die Behandlung der größeren, hartnäckigen Ulzera mit Oedem-und Schwielenbilditng, eine Folge der Varizen, die ja als besondere Crux medicorum gilt. Die Haut -der so erkrankten Unterschenkel ist bekanntlich häufig enorm vérdickt, zum Teil ödematös geschwollen, oft diffus zirkulär durchsetzt von varikösen Venenerweiterungen und Trägerin kleiner oder größerer, vielfach mit mißfarbigen, zerfallenen Granulationen bedeckten Geschwüre. In solchen Fällen wird man immer zunächst \rersuchen, mit der geschilderten Kompressionsverbandbehandlung auszukommen, wobei es sich empfiehlt, einige Tage oder, wenn durchführbar, längere Bettruhe mit möglichst elevierter Beinlage vorangeheii zu lassen. Die Hochlagerung ist ein souveränes Mittel zur Bekämpfung der Oedeme und Besserung der Zirkulationsverhältnisse. Das Unterstopfeñ von weichen Kissen genügt allerdings mei-st nicht, um eine wirkliche und wirksame Hochiagerung zu erzielen. Ich lege -das Bein auf eine geteilte, verstellbare Braunsche Schiene, die das Bein bis zum Winkel von 45 und 500 erhebt;, auch Suspension auf langer Volkmannscher Schiene ist zweckmäßig. Der Einfluß auf die Geschwüre ist stets -sehr günstig. Während dieser Zeit sind regelmäßige -Verbände angezeigt mit einer der bekannten Salben, wobei ich) wie -gesagt, besonders die Nafalansalbe empfehlen möchte. Sehr bewährt haben sich auch feuchte Verbände mit 100/oiger Kochsalzlösung (K r a us 5)), bei stark sezernierenden Geschwüren mit übelriechender' Absönderung mit lOq'oiger Wasserstoffsuperoxydlösung, 5 obiger lchthyolwasserlösung und be-sonders Phenolkampler als stärkstes Desodorans, in der ZUsammensetzung Caniph. tnt. 60,0, Alkohol abs. 10,0, -Acid. carbolic. hiqu. 300. Unter dieser Behandlung sieht man meist rasch eine Reinigung der Geschwüre -eintreten.
doi:10.1055/s-0028-1133085
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