"… und nur dem Sieger hold" - Die Stadt als Abbild rationaler und emotionaler Zuordnungen
Kerstin Dörhöfer
2013
Die Stadt als Abbild rationaler und emotionaler Zuordnungen* Vorbemerkung: Weibliche Stadt oder Stadt der Frauen? Die Städte sind weiblich und nur dem Sieger hold" lautet ein Zitat von Ernst Jünger. Er hat diesen Satz in seinem "Zweiten Pariser Tagebuch" 1944 notiert. Die Literaturwissenschaftlerin Sigrid Weigel hat einen ihrer Artikel mit diesem Zitat übertitelt. Sie analysiert darin 1 wie Literaten die Stadt als Frau imaginieren bis hin zu.r "Hure Babylon".2 Der optimistische, ermutigend
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... ende Titel dieses Symposions "Die Städte sind weiblich ... " wird durch die Ergänzung des Jüngersehen Zitats""' und nur dem Sieger hold'~ ernüchternd, geradezu resignativ. Frauen als Sieger? Frauen als Eroberer? Frauen als Herrschende? Frauen, die in die Stadt eindringen, sich von ihr empfangen lassen, durch sie Huldigungen erfahren, "sich in ihr und an ihr Genuß verschaffen"? 3 Keine Geschichtsschreibung, keine literarische Darstellungen, keine utopische Phantasie hat dieses Bild je entstehen lassen.-Die räumlichen Fiktionen von Frauen-"Die Stadt der Frauen" von Christine de Pizan, "Herland" von Charlotte Perkins Gilman oder die Entwürfe der utopischen Feministinnen-sind immer Vorstellungen einer gerechten und herrschaftsfreien sozialen und räumlichen Organisation. 4 ln diesen Vorstellungen sind Städte Orte, in denen Frauen als ,Jreie und gleiche" Mitglieder der Gesellschaft denken, planen, handeln und sich in ihnen bewegen, weil alle Orte und Räume auch durch sie bestimmt sind. Dies ist "die Stadt der Frauen", sie ist nicht "weiblich". Eine "weibliche" Stadt wünschte sich Helmut Tepper, langjähriger Direktor des Verbandes Gemeinnütziger Wohnungsunternehmen, als er 1984 in einer Fernsehsendung sagte: "Ich sehe die Stadt wie eine Frau, sie muß charmant sein, sie muß Flair haben, sie muß liebenswert sein. " 5 Dies Bild ist nicht mehr nur unter Männerphantasien zu subsumieren, sondern deutlicher Ausdruck des Patriarchats. "Die Städte sind weiblich ... " ist also bei genauerer Betrachtung keine optimistische Aussage, kein Hoffnungsruf. Meine Frage ist also eher die, wie weit die Stadt eine "Stadt der Frauen" ist? ln Inhalt und Form.
doi:10.57871/fkw131992268
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