EINBLICKE IN DAS LEBEN FRÄNKISCHER LANDEDELFRAUEN DES 16. JAHRHUNDERTS

Erich Freiherrn Von Guttenberg
1919 Archiv für Kulturgeschichte  
Reiche dichterische Überlieferung des Mittelalters hat das glänzende Bild der edelen frouwe als Preis und Ziel ritterlichen Strebens, festlich umrahmt von Minnedienst und Minnesang, vertraut und bekannt werden lassen. In der Tat, während in stiller Zelle die gelehrte Klosterfrau lateinische Briefe mit Päpsten und Fürsten wechselt, dramatische und historische Poesie zu pflegen versteht, hat Gunst und Verständnis der Fürstin, der Edelfrau jene reiche und schöne Verbindung geistigen und geselligen
more » ... Lebens befruchtet, wie sie der Blütezeit ritterlich-höfischer Dichtung eignet. Man ist versucht, in der Folge eine Weiterentwicklung verfeinerter Lebensführung innerhalb der vornehmen Kreise zu erwarten, ähnlich der Kultur italienischer Fürstenhöfe der Renaissance, wo die geistvolle Frau in Geselligkeit, Wissenschaft und Kunst zum belebenden Mittelpunkt wird. 1 ) Allein im ausgehenden deutschen Mittelalter ersticken die künstlerischen Tendenzen des frühen Rittertums in seinen rein soldatischen Eigenschaften, in der Freude am Prunkturnier und in ungezügelter Fehdelust. In solchem Rahmen sieht sich naturgemäß die Frau aus der Stellung zur Minnesangszeit verdrängt. Starkes wirtschaftliches Vermögen war außerdem von jeher Grundbedingung für die Entfaltung künstlerischen und geselligen Lebens in großem Stile gewesen, ja, wie Paul Kluckhohn überzeugend nachweist 2 ), von tieferer Bedeutung als die Scheidung gewisser Standesverhält-') Vgl. hiezu allgemein Heinrich Finke, Die Frau im Mittelalter, Smlg. Kösel Nr. 62, Kempten und München 1913. *) Der Minnesang als Standesdichtung, Arch, für Kulturgesch. XI, S. 389 ff., woselbst nachgewiesen wird, daß die Standesdifierenz zwischen dem Sänger und seiner Dame keineswegs so stark gewesen sei, wie dies A. Schulte, Die Standesverhältnisse der Minnesinger, in Ztsch. f. deutsch. Altert. Bd. 39 behauptet hatte. Die Dame brauchte durchaus nicht immer einem höheren Stande als der Sänger anzugehören.
doi:10.7788/akg-1919-1-204 fatcat:ibcph26dzvfk7jkhtx3bluazse