Einleitung
1994
Feministische Studien
In diesem offenen Heft sind aktuelle und historische, literaturwissenschaftliche und philosophische Beiträge zu unterschiedlichen Fragen feministischer Forschung und Politik versammelt. Der Titel soll darauf verweisen, daß es auch um die Frage nach dem Verhältnis zentraler feministischer Debatten -Geschlechterverhältnis und dessen Kontextualisierung, Gleichheit und Andersheit -zum »altfeministischen« Postulat der sisterhood geht. Diese Frage steht im Zentrum von Ruth-Ellen Boetcher Joeres'
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... ag. Sie analysiert die neueren Entwicklungen und Schwerpunktsetzungen innerhalb der feministischen Diskussion in den U.S.A. Wahrend zu Beginn des Feminismus in den siebziger Jahren von »sisterhood« mit einem gemeinsamen wir, einer gemeinsamen Identität ausgegangen wurde, setzte spätestens Mitte der achtziger Jahre die Differenzierung nach widersprüchlichen Identitäten, Standpunkten, Eigenschaften und Herkünften der Frauen ein. Hierbei wurde die »Politik des Ortes, des Standpunktes -identity politics -ins Zentrum des feministischen Projektes gesetzt«. Aus den derzeitigen Frage-und Problemstellungen des amerikanischen Feminismus greift Boetcher Joeres die Kontroverse um Essentialismus und Identitätspolitik heraus und diskutiert sie als Theorie-Praxis-Problem, wobei sie die Frage nach sisterhood, den gemeinsamen politischen Zielen und dem gemeinsamen politischen Handeln von Frauen im Blick behält. Daß die empirische Sozialforschung ihre Entstehung auch und nicht zuletzt gemeinsamem politischen und sozialen Handeln von Frauen verdankt, zeigt Elisabeth Meyer-Renschhausen. Sie macht deutlich, daß die Soziologie als empirische Wissenschaft keineswegs so neu ist, wie es die einschlägigen Einführungen ins Fach nahelegen. Vielmehr entstand die empirische Sozialforschung schon im wilhelminischen Deutschland und in der Weimarer Republik, wie auch zeitgleich in den Vereinigten Staaten und in Großbritannien. Ihren Kontext bildeten zum einen die Auseinandersetzung um die »soziale Frage« bzw. um Sozialpolitik, zum anderen die Entstehung von sozialer Arbeit. Dabei, so ihre These, war die Frauenbewegung in ihrem Engagement für Sozialreform und soziale Arbeit wie auch
doi:10.1515/fs-1994-0102
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