II. Die Arbeitsverwaltung im Dritten Reich [chapter]

1983 Lockung und Zwang. Zur Arbeitsverfassung im Dritten Reich  
Die Realisierung der arbeitspolitischen Zielsetzungen und die Umsetzung der einschlägigen neu erlassenen Vorschriften in die Wirklichkeit des Arbeitslebens war Aufgabe der Arbeitsverwaltung. Da die Lohnpolitik in der Weimarer Zeit weitgehend in den Händen der Gewerkschaften und der Arbeitgeberverbände gelegen hatte, schuf die NS-Regierung schon im Jahre 1933 eine neue lohnpolitische Behörde, die Treuhänder der Arbeit, um die staatliche Führung auf diesem Gebiet durchzusetzen. Zur Ausübung des
more » ... aatlichen Einflusses auf den Arbeitsmarkt war bereits 1927 die Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung geschaffen worden. Auf sie konnte sich das NS-Regime bei seinen Maßnahmen zur Arbeitsbeschaffung und bei seiner wirtschaftspolitischen Zielen dienenden Lenkung von Arbeitskräften, dem sogenannten Arbeitseinsatz, stützen; doch ergaben sich aus den Unauthenticated Download Date | 2/9/20 5:32 PM rakter der RA prägte deren Aufgaben, Organisation und Finanzsituation in der Weimarer Zeit. Die RA finanzierte sich überwiegend aus Beiträgen der Arbeitnehmer und Arbeitgeber zur Arbeitslosenversicherung4; entsprechend der Aufbringung der Beiträge waren Vertreter der Arbeitgeber und Arbeitnehmer neben Vertretern der Gebietskörperschaften drittelparitätisch an der Selbstverwaltung der RA beteiligt. Als Körperschaft des öffentlichen Rechts unterstand die RA zwar der Dienst-und Fachaufsicht des Reichsarbeitsministeriums, doch waren die Selbstverwaltungsbefugnisse und damit die Selbständigkeit der RA in der Weimarer Zeit relativ stark ausgeprägt. Neben der Arbeitsvermittlung war die finanzielle Unterstützung der Arbeitslosen die wichtigste Aufgabe der RA; diese trat mit dem rapiden Anstieg der Arbeitslosenzahlen seit 1929 immer stärker in den Vordergrund und brachte die RA in der Krisenzeit in größte finanzielle Schwierigkeiten. Durch Beitragserhöhungen (von 3% des Arbeitsentgelts 1927 auf einen Regelbeitrag von 6,5% seit 1930) sowie durch Leistungs-kürzungen5 konnten diese Schwierigkeiten nur notdürftig behoben werden6. Der langjährige Präsident der RA, Syrup7, hat den durch die Wirtschaftskrise verursachten Zustand der Arbeitsämter des Jahres 1933 in einem Rückblick 1936 folgendermaßen charakterisiert: Sie waren "Stempelund Unterstützungsstellen" und hatten "überwiegend mit Arbeitslosen zu tun, die müde und zermürbt oder nervös und gereizt ihre karge Unterstützung abholten"8. Die Wirtschaftskrise war also auch eine Krise der RA. Um ihren eigenen desolaten Zustand zu überwinden, mußte der RA daran gelegen sein, wirksamer als bisher die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen und nicht mehr auf das Kurieren von Symptomen beschränkt zu sein. Das Bedürfnis der RA traf sich 1933 mit den Interessen der NS-Regierung: Diese mußte schnelle Erfolge im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit, in der sogenannten Arbeitsschlacht, vorweisen, um ihre innenpolitische Stellung zu festigen. Außerdem war ihr wegen ihrer Rüstungspläne an einer baldigen Wirtschaftsbelebung gelegen. Die Gleichschaltung der Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung Durch ihre mehrjährigen Erfahrungen auf dem Gebiet der Arbeitsvermittlung mußte die RA prädestiniert dafür erscheinen, die Durchführung der vom NS-Regime geplanten Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen zu übernehmen. Auch ihre reichseinheitliche Organisation, die die RA von anderen Zweigen der inneren Verwaltung und der Arbeitsverwaltung, insbesondere den Gewerbeaufsichtsämtern, unterschied, sowie ihre Präsenz auf lokaler Ebene und ihr relativ großer Personalbestand9 sprachen für diese Entscheidung. Doch standen dem in den ersten Monaten nach der nationalso-4 §142 AVAVG. 5 Vgl. hierzu die tabellarische Übersicht am Ende dieses Abschnitts. 6 Vgl. hierzu Syrup/Neuloh, 100 Jahre staatliche Sozialpolitik, S. 343 ff. 7 Vgl. zu seiner Person oben S. 37. "8 Syrup, Arbeitseinsatz, S. 89h 9 Im Zeitpunkt der nationalsozialistischen Machtergreifung ca. 26 500 Beschäftigte. Vgl. hierzu den 6. Bericht der RA für die
doi:10.1524/9783486703337.149 fatcat:2i6mgsdsd5fejk5kudfg5pqule