Von der Schwierigkeit der Vermittlung zwischen Mathematik und dem Rest der Welt

Joachim Engel, Technische Universität Dortmund, Technische Universität Dortmund
2014
Die Einsicht in die Nützlichkeit der Mathematik für praktische konkrete Fragestellungen des Alltags ist für uns Menschen keineswegs selbstverständlich (Wigner, 1960). Insbesondere scheint es sehr schwer zu fallen, Mathematik auf die erfahrbare Welt beziehen zu können. Mathematische Objekte existieren in unserem Kopf, sie sind geistige Entitäten. Ein idealer Kreis existiert in der erfahrbaren Welt genauso wenig wie ein idealer Würfel oder die Zahl drei. Mathematische Begriffe sind idealisierte
more » ... nstrukte. Mathematik existiert somit ausschließlich im Reich unserer Ideen und Vorstellungen. Diesem gegenüber steht das Reich der sinnlich erfahrbaren Welt, in dem es bestenfalls dünne Anhäufungen von Blei um einen gegebenen Punkt herum (aber keine Kreise), drei Äpfel und drei Bleistifte (aber keine Zahl drei an sich) und schon gar keine idealen Zufallsgeneratoren gibt. Als Wissenschaft hat die Mathematik mit einigen Geisteswissenschaften wie etwa der Philosophie und der Theologie gemeinsam, dass die Gegenstände, mit denen sie sich vordringlich befassen in einem idealisierten Universum, nicht aber in der empirisch erfahrbaren Welt existieren. Stehen sich hier zwei getrennte Welten gegenüber, ähnlich wie in Martin Luthers (schon auf Augustinus zurückgehender) Zwei-Reiche-Lehre, wonach der Christ in zwei Reichen lebt (Althaus, 1957): dem unvollkommenen Weltlichen Reich und dem vollkommenen Reich Gottes oder Geistlichen Reich? Wie können wir für Lernende den Gegensatz zwischen dem Reich der Mathematik und der erfahrbaren Welt überbrücken? 2. Von der Kluft zwischen mathematischem Modell und Realität Zwischen der "Welt", d.h. dem innerweltlichen Problem und seinem mathematischen Repräsentation klafft immer eine Kluft. Mathematisches Modell und Realität sind nicht identisch. Das ist vielleicht die wichtigste Lektion, wenn Schülerinnen und Schüler lernen, wie man Mathematik auf Probleme dieser Welt anwendet. Die Realität ist oft so komplex, dass sie sich einer exakten mathematischen Beschreibung entzieht, während jeder beobachtete Sonderfall stark mit einzigartigen Besonderheiten versehen ist. Die mathematische Beschreibung zielt hingegen auf eine allgemeinere Gültigkeit ab. Modelle sind naturgemäß nicht die Wirklichkeit, sondern eine Vereinfachung des Durcheinanders, das die Realität uns präsentiert. Um die Realität zu vereinfachen, opfern Modelle Details und machen im Idealfall den Blick frei für das Wesentliche. Bei der Betrachtung realer Daten, d.h.
doi:10.17877/de290r-13985 fatcat:7lyq4b2wufdqdauu2ccp6wbul4