[Rezension von] Jakob M. Landau, Barbara Kellner-Heinkele, Politics of Language in the Ex-Soviet Muslim States - Azerbayjan, Uzbekistan, Kazakhstan, Kyrgystan, Turkmenistan and Tajikistan : Hurst & Co, London 2001, XIV, 260 Seiten, 7 Taf., Abb., 1 Kte

Clemens P. Sidorko
2004
Anzeigen Höhepunkt der Arbeitskräftebeschäftigung, etwa 200 000 Menschen arbeiteten. Weitere Kapitel befassen sich mit dem, was der Autor "Staat im Staat" nennt: die Betriebs-Parteiorganisation, die in der sächsischen SED wegen ihrer Sonderstellung als "Bruderpartei" bezeichnet wurde, die 1950 zur IG Wismut umbenannte Betriebsgewerkschaftsorganisation, die besonderen sozialen Verhältnisse am Arbeitsplatz und in der Freizeit, die nach "Kampfplänen" durchgeführten Aktionen zur freiwilligen
more » ... öhung usw., d.h. alle Aspekte, in denen die Partei-bzw. Gewerkschaftsorganisation eine Rolle spielte. Diese Schwerpunkte der Studie ergeben sich aus der Struktur des verwendeten Quellenmaterials. Die politischen und wirtschaftspolitischen Aspekte der Wismut-Geschichte werden ausgeklammert, weil sie nur gelegentlich und bruchstückhaft aus den entsprechenden Partei-und Gewerkschaftsunterlagen hervorgehen. Denn Wismut war, wie alle SAG, de facto exterritorial: Staat, Partei und Gewerkschaft konnten nur bedingt im Kombinat tätig werden. Alles war von sowjetischer Anordnung oder Duldung abhängig. An den eigentlichen Betriebsentscheidungen waren deutsche Stellen nicht beteiligt, während umgekehrt etwa an den Gewerkschaftssitzungen ein sowjetischer Aufpasser teilnahm. Die sowjetische Besatzungsmacht hinterließ in den deutschen Akten generell erstaunlich wenig Spuren. Um so mehr gilt dies für die SAG Wismut, die auch von den Besatzungsbehörden unabhängig operierte und deren Generaldirektor der MGB-Generalmajor Mal'cev war, der unter anderem bis 1943 das Straflager Vorkuta geleitet hatte. Die sowjetische Seite der Geschichte der SAG Wismut bleibt noch zu schreiben. Bernd Bonwetsch, Bochum LUTZ Rzehak Vom Persischen zum Tadschikischen. Sprachliches Handeln und Sprachplanung in Transoxanien zwischen Tradition, Moderne und Sowjetmacht (1900-1956). Verlag Reichert Wiesbaden 2001. XX, 456 S., Abb. = Iran -Turan. Band 2. Lutz Rzehak analysiert in seiner Habilitationsschrift "Vom Persischen zum Tadschikischen" die Entstehung einer modernen tadschikischen Nationalsprache unter den spezifischen Bedingungen sowjetischer Nationalitätenpolitik. Ausgangspunkt seiner Untersuchung ist die persische Sprache, die noch um die Jahrhundertwende in ganz Transoxanien nicht nur im religiösen Bereich dominiert, sondern in fast allen Lebensbereichen als Sprache der Verständigung in einer multilingualen Umgebung dient. Der Autor untersucht den Übergang von der "persischen" Verkehrs-zur "tadschikischen" Nationalsprache (die unterschiedliche Benennung kennzeichnet ihre unterschiedliche Funktionalität) auf zwei Ebenen: dem der staatlichen Sprachpolitik und dem des konkreten sprachlichen Handelns. Als entscheidenden Wendepunkt identifiziert er das Revolutionsjahr 1917: Unter dem neuen Regime wird das Persische als Verkehrssprache durch das Uzbekische abgelöst; dieses wird nun zur dominanten Sprache der inter-ethnischen Verständigung. Erst in der zweiten Hälfte der zwanziger Jahre wird das Tadschikische parallel zur Ausrufung einer eigenen Republik Tadschikistan langsam wieder aufgewertet. Dieser "neuen" Sprache wird jedoch keine überregionale Funktion mehr zuerkannt. Durch gesellschaftlichen und politischen Wandel entsteht so eine tadschikische Nationalsprache, welche die vielfaltigen Funktionen des Persischen verloren hat und als Primärsprache für eine nach nationalen Kriterien definierte Gemeinschaft fungiert. Rzehak gelingt es, die Entwicklung dieser Sprache vom "Persischen" zum "Tadschikischen" nicht nur entlang ideologischer Diskussionen, sondern auch in der gesprochenen Sprache nachzuzeichnen. Schade ist, daß er seine Arbeit nicht in den Kontext der neueren historischen Diskussionen um die sowjetische Nationalitätenpolitik stellt. Die Einordnung der sowjetischen Sprachpolitik als "Russifizierung" oder "Förderung autochthoner Sprachen" bleibt daher leider unscharf. Umgekehrt können aber Historiker, die sich mit der Nationalitätenpolitik der Sowjetunion beschäftigen, nun auf eine fundierte sprachwissenschaftliche Arbeit über exogene und endogene Faktoren des tadschikischen Sprachwandels unter den Bedingungen der Sowjetherrschaft zurückgreifen, die den Blick von Moskau weg auf die Peripherie und die dortigen Debatten sowie auf das sprachliche Handeln einzelner Personen und Gruppen lenkt.
doi:10.5451/unibas-ep13972 fatcat:37savrqquzbf5jg2amtndxz3r4