Vorwort
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2021
Romantik zwischen zwei Welten
Vorwort Die Vorlesung als akademische Gattung ist für jede Hochschullehrerin und für jeden Hochschullehrer die herausfordernste Veranstaltungsart. Die überschaubare, fast intime Veranstaltungsform des Seminars mag zwar den Vorteil haben, einen direkten Austausch mit den Studierenden zu erleben und damit eine Vielzahl neuer Blickpunkte und oft überraschender Einsichten zu gewinnen, das Habilitand*innen-und Doktorand*innen-Kolloquium mag den unverwechselbaren Charme besitzen, Forschungsprobleme
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... f hohem universitären Niveau gemeinsam anzugehen und mit einer Gruppe Gleichgesinnter zu diskutieren. Aber allein die Vorlesung bietet die Chance, deutlich aufzuzeigen, wofür man steht und wofür man einstehen will. Denn eine Vorlesung zielt nicht auf eine (ohnehin stets fiktive) thematische Vollständigkeit, die sich nicht einmal in der Textsorte der Literaturgeschichte erreichen lässt. Vielmehr beruht sie auf klaren Entscheidungen, was ausgelassen werden kann und welche Gegenstände so in den Mittelpunkt gerückt werden, dass sie untereinander strukturelle Zusammenhänge bilden. Es ist kaum übertrieben, wenn man die Vorlesung als eine Art Glaubensbekenntnis charakterisiert, zeigt sich in ihr doch, welche Schwerpunkte in Forschung und Lehre verantwortlich gesetzt werden sollen und welche Vision eines zu unterrichtenden Gegenstandes entwickelt wird. Dabei ist die Vorlesung in aller Regel eine noch immer (oder wieder von neuem) freie Veranstaltung, die von den Studierenden 'nur' das Zuhören und Mitdenken verlangt. Anders als andere Veranstaltungsformen übt sie keinen Zwang aus und ist in einer akademischen Welt der Leistungspunkte und Credits eine scheinbar vernachlässigbare Größe. Eine Vorlesung wird durch keinen Zwang gestützt. Sie basiert in aller Regel auf Freiheit: Auf der Freiheit der Zuhörenden, die Botschaft aufzunehmen und auf jener der Lehrenden, sich Forschungsgegenstände ihrer ureigensten Wahl zurechtzulegen. Aus eben dieser Freiheit aber erwächst auch ihr Anspruch: Die Vorlesung bildet eine Form, in welcher sich das Wesen von Forschung und Lehre in seiner wechselseitigen Befruchtung stets neu konfiguriert. Das vorliegende Buch bildet den vierten Band der Reihe Aula im Verlag Walter de Gruyter und stellt nach Von den historischen Avantgarden bis nach der Postmoderne. Potsdamer Vorlesungen zu den Hauptwerken der romanischen Literaturen des 20. und 21. Jahrhunderts den zweiten literarhistorischen Band dar, der entschlossen versucht, ein transareales Verständnis der Romanistik weiterzuentwickeln. Wieder geht ihr Fokus weit über die Ziele einer herkömmlichen Literaturgeschichte hinaus. Diese Vorlesung versucht, die Wege und Entwicklungen im 19. Jahrhundert und die Gründe dafür aufzuzeigen, warum wir uns heute in einem Open Access. © 2021 Ottmar Ette, publiziert von De Gruyter. Dieses Werk ist lizensiert unter einer Creative Commons Namensnennung -Nicht-kommerziell -Keine Bearbeitung 4.0 International Lizenz. https://doi.
doi:10.1515/9783110703443-001
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