"Mehr Mut! Weniger Selbstzweifel!": Interview mit Dr. Ricarda Brandts, Präsidentin des Verfassungsgerichtshofs und des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen

Dr. Anja Schäfer, Elena Genne
2015 djbZ - Zeitschrift des Deutschen Juristinnenbundes  
djbZ 4/2015 228 Porträt | "Mehr Mut! Weniger Selbstzweifel!" Interview mit Dr. Ricarda Brandts Liebe Frau Dr. Brandts, zunächst einmal vielen Dank dafür, dass wir Sie in Ihrem Dienstzimmer im Oberverwaltungsgericht für die dbjZ interviewen dürfen. Wir beginnen mit der Frage: Was hat sie bewogen, Jura zu studieren? Haben Sie je an dieser Entscheidung gezweifelt? Vorweg: Für mich war immer klar, dass ich mit einem mich ausfüllenden Beruf ökonomisch auf eigenen Füssen stehen wollte. Der Aufnahme
more » ... s Jurastudiums kann ich allerdings im Nachhinein nicht die höhere Weihe verleihen. Ich kann nicht sagen, dass die Juristerei immer schon mein Wunschberuf gewesen sei und ich nie etwas anderes gewollt hätte. Vielmehr war die Entscheidung für das Jurastudium der Erkenntnis zu verdanken, dass mein ursprünglicher Wunschberuf der helfenden Ärztin nicht der richtige für mich ist. Dies war das Ergebnis eines vorgezogenen "Praxisschocks": Im Anschluss an mein Abitur hatte ich in Mittelamerika im Rahmen eines Jugendaustauschprogramms -beseelt von dem Wunsch, in der "Dritten Welt" Hilfe zu leisten -unter andrem an einem Gesundheitsprojekt mitgewirkt. Schnell wurde mir klar, dass ich in Krisensituationen nicht die medizinische Hilfe würde leisten können, die von einem zuverlässigen Helfer erwartet werden muss. Nach meiner Rückkehr in die Heimat habe ich dann quasi aus Vernunftgründen das Jurastudium aufgenommen, mit dem damals gute berufliche Perspektiven verbunden waren. Es wird Sie nicht überraschen, dass ich dies nie bereut habe. Es zeigte sich rasch, dass die Beschäftigung mit der Rechtswissenschaft faszinierende Seiten hat. Hierzu gehören die systematische Durchdringung der Rechtsregeln, die die Lebenswirklichkeit gestalten, und die Möglichkeit, das Recht als Mittel einzusetzen, um Ansprüche und Interessen durchzusetzen. Ich hatte das Glück, schon recht bald eine Tätigkeit als studentische Hilfskraft an einem Lehrstuhl für Strafrecht ausüben zu dürfen, die ich dann während des Referendariats als wissenschaftliche Hilfskraft und nach dem Zweiten Juristischen Staatsexamen als wissenschaftliche Mitarbeiterin fortsetzen durfte. Ich hatte so die Gelegenheit, die Vorteile wissenschaftlicher Arbeit kennen zu lernen, und durfte durch die Gespräche mit Professoren, Dozenten und Kollegen recht früh erfahren, dass man auf hohem Niveau argumentieren muss, um zu überzeugen. Das heißt, Sie haben im Strafrecht promoviert? Genau, das war die Konsequenz. Ich wählte ein Thema, das sich vor allen Dingen mit Fragen des Kausalzusammenhangs befasst, und habe die Dissertation während der hauptberuflichen Tätigkeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin abgeschlossen. Nach Abschluss ihrer strafrechtlichen Promotion sind in die Sozialgerichtsbarkeit gegangen. Wie kam das?
doi:10.5771/1866-377x-2015-4-227 fatcat:qhad6tnm7fegvicr6iqx75qshi