Über Namen und Geschichte des Brennerpasses

Ludwig Steinberger
1911 Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung  
Wohl mancher, der offenen Auges aus unseren nordischen Gauen hinüberpilgert in die gesegneten Gefilde Südtirols oder noch weiter, bis hinab ins sonnige Welschland, macht sich seine Gedanken über die Bezeichnung des Alpenpasses 1 ), über den ihn der Schienenweg dem Ziele seiner Fahrt entgegenführt. Und ist er durch die Schale klassischer Bildung gegangen, so kommt ihm unwillkürlich jenes trotzige Alpenvolk der Breuni (später nach ihrer Romanisierimg "Breones", vielleicht auch "Briones" genannt)
more » ... ) in den Sinn, zu dessen Unterwerfung durch Drusus Horaz den kaiserlichen Stiefvater des siegreichen Feldherrn in schwungvollen Worten beglückwünscht 3 ) : milite nam tuo Drusus G-enaunos implacidum genus Β reúno s que veloces et arces Alpibus impositas tremendis Deiecit acer plus vice simplici . . . ') Von der einschlägigen Literatur, die im Folgenden in den Anmerkungen verzeichnet wird, blieben mir unzugänglich die S. 597 Anm. 4 angeführte Arbeit G. Mail's und ein Aufsatz über die Brennerstrasse in der Zeitschrift , Der Brenner 1 I Heft 10. 2 ) A. Jäger, Über das rhätische Alpenvolk der Breuni oder Breonen in den Sitzungsberichten der kais. Akademie der Wissenschaften in Wien philos.-hist. In der Tat ist die Herleitung des Wortes "Brenner" von den Breuni auch in den Kreisen der Forscher nachgerade fast zu einem Dogma geworden 1 ), zumal sie bei Jordanes geradezu "Brenni" heissen 2 ) und ihr Name vollends in der Form "Pregnarii" 827 von uns Abschied nimmt 3 ). Vereinzelt steht daneben die Annahme eines umgekehrten Verhältnisses: "vom Brenner werden", meint der bekannte Ortsnamenforscher Michael Richard Buck 1 ), "jene Pregnarii den Namen haben . . . und vielleicht selbst die uralten rätischen Breuni" -womit, beiläufig bemerkt, zugleich die Identität der Pregnarii mit den Breuni bestritten ist; "Brenner" selbst aber sei ursprünglich wohl ein Flussname gewesen. Eine Behauptung wie die letztere scheint nun allerdings die vorherige Lösung der Frage vorauszusetzen, an welchem Flusse •denn dann der Name gehaftet habe, da der Brenner bekanntlich zwei Flüsse -die Sill nach Norden, den Kisak nach Süden -entsendet. Was zunächst den Eisak betrifft, so müssen wir uns hüten, daraus, dass er in mehreren Urkunden des Sterziger Stadtarchives von 1500 bis 1687 herab als der "Brennerbach" erscheint 5 ), auf die älteste Benennung des Flusses eines Schluss zu ziehen, aus dem Grunde, weil im Jahre 1500 der Name "Brenner" für den Pass bereits seit langem im Gebrauch war 6 ). Jene Bezeichnung erklärt sich vielmehr dadurch, dass der vom Brenner herabkommende Eisak in Sterzing eben nicht
doi:10.7767/miog.1911.32.4.594 fatcat:m7lzc7vmpjdrfkyibcc6war4eu