Lights and Sounds by Tilman Küntzel
[article]
Helga De La Motte-Haber, Leibniz Institut Für Psychologische Information Und Dokumentation (ZPID), Leibniz Institut Für Psychologische Information Und Dokumentation (ZPID)
2020
Die alltägliche Wahrnehmung ist multimodal. Informationen aus verschie denen Sinnesorganen sind zu einem einheitlichen Vorgang verschmolzen. Dabei ist einem weder bewusst, wie die Integration geschieht, noch dass die Arbeitsweise der Sinnesorgane nicht gleichsinnig ist. Das Ohr reagiert mit zwei Millisekunden erheblich schneller auf Umweltreize als das Auge, das 17 Millisekunden braucht. Die Integration der Informationen spiegelt oft nicht ihre sensorische Basis sondern eine Form der Logik, die
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... wir im Laufe des Lebens gelernt haben. Wir sehen erst den Hammer fallen und hören dann den Ton. Wissen um Ursache und Wirkung erklärt auch jene Falschnehmun gen, bei denen akustische Informationen räumlich verschoben werden (Bauch rednereffekt) oder zeitlich nacheilende Schallereignisse bei Musikvideos als gleichzeitig mit einem visuellen Ereignis erlebt werden. Diese Logik des Gewohnten lässt zuweilen glauben, das Auge dominiere über das Ohr. Dem widerspricht, dass in den Zeiten, als die unimodale Wahrnehmung zur ästhe tischen Norm erhoben worden war, im Wettstreit der Künste durchaus nicht immer das Visuelle dem Auditiven überlegen erschien. Ein Großteil der Kunst ist heute audiovisuell. Da sich gleichzeitig immer mehr Künstler mit dem Wahrnehmungsprozess auseinandersetzen, steht auch die Frage der unterschiedlichen Informationsverarbeitung der Sinnesorgane zur Diskussion. Sie spielt in den Arbeiten des 1959 geborenen Klangkünst lers Tilman Küntzel eine wichtige Rolle. Die Routinen, mit denen wir sinn liche Daten interpretieren, sollen irritiert oder durchbrochen werden, um Wahrnehmung dem Erleben zugänglich zu machen. Es gehörte schon immer zum Wesen von Kunst, ästhetisches Vergnügen aus der Differenz zwischen Artifiziellem und Gewohntem entstehen zu lassen. Jedoch ist in der moder nen Kunst diese Differenz sehr bedeutsam geworden. Typisch für Tilman Küntzels Arbeiten sind Kombinationen von Lichtob jekten und Schallereignissen: Lights and Sounds, blinkende Objekte, die gleichzeitig Schall generieren. Darüber hinaus hat er manchmal Klänge und Bilder "falsch montiert" (Tagesschau mit Trommelwirbel und Flötentöne). Seine Licht-Klanganalogie (1988) wirkt fast wie eine experimentelle Anord nung. Ein Lautsprecher, in den Schirm einer Schreibtischlampe gefasst, macht
doi:10.23668/psycharchives.2977
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