Ueber die Wirkung der atmosphärischen Dispersion auf die photographischen Bestimmungen der Abstände 611–612 Cygni
J. Wilsing
1900
Astronomical Notes - Astronomische Nachrichten
In seiner Abhandlung >The parallax of 248 stars of the region around BD. -1-3504013 contained on photographs prepared by A . Donner, Professor of astronomy and Director of the Observatory at Helsingfors, measured and discussed by Prof. J. C. Kapteyna 1) hat Herr Kapteyn die Ergebnisse meiner Arbeiten Duntersuchungen iiber die Parallaxe und die Eigenbewegung von 6 I Cygni nach photographischen Aufnahmenc 2) und sUeber eine auf photographischem Wege entdeckte periodische Veranderung des Abstandes
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... der Componenten von 6 1 Cygnia 3) einer Besprechung (a. a. 0. S. 73) unterzogen, zu welcher ich hier einige Bemerkungen machen mochte, da ich mich den Darlegungen des Herrn Kapteyn nicht anzuschliessen vermag. Die Bestinimung der Parallaxe von 61 Cygni mit Hiilfe des photographischen Refractors von 33 cm Oeffnung wurde von inir zunachst in der Absicht unternommen, die Rrauchbarkeit der photographischen Methode bei Aufgaben zu prtifen, welche an die Genauigkeit der Messungen die hochsten Anforderungen stellen. Im Verlauf der Untersuchung zeigte sich, dass die Abweichungen in den Abstlnden der Componenten von einander, welche nach Ausgleichung der Messungen tibrig blieben, durch die Fehler der letzteren nicht erklart werden konnten, sondern dass thatsachlich diesen Abweichungen systeniatische Verschiebungen der Bilder auf den Platten entsprechen. Die Richtigkeit dieses Ergebnisses wird von Herrn Kapteyn nicht bestritten, vielmehr besteht die Meinungsverschiedenheit in der Deutung desselben, insofern Herr Kapteyn in jenen Verschiebungen die Wirkung der atmospharischen Dispersion erblickt, wahrend ich entsprechende Storungen im Abstande beider Sterne annehme. Herr Kapteyn unterscheidet bei photographischen Messungen ausser den persijnlichen Messungsfehlern Fehler, die von mangelhafter Fiihrung des Fernrohrs wahrend der Aufnahme herriihren und sich haufig durch Vermehrung der Aufnahmen beseitigen lassen. Ich habe diese Fehlergattung in folgender Weise charaktensirt: Unruhe der Luft und Mange1 in der Fiihrung des Fernrohrs bewirken, dass die photographischen Sternscheibchen bei starkerer Vergrosserung selten vollkommen rund erscheineri. Die Folge dieser De-formationen sind constante Einstellungsfehler, welche von derselben Ordnung. sind wie die zufalligen Einstellungsfehler und sich durch Wiederholung der Messung nicht beseitigen lassen. Man findet ihren Betrag durch Vergleichung der Messungen mehrerer Aufnahmen derselben Distanz unter der Voraussetzung, dass die Aufnahmen von einander unabhlngig sind, eine Voraussetzung, welche indessen nicht unter allen Umstanden zutrifft. Fehlerhafter Gang des Uhrwerks utahrend der Aufnahme bei unzulanglicher Controlle der Bildschwankungen am Leitfernrohr kann vielmehr gleichartige Deformationen der Sternbilder in der Richtung der Rectascension bewirken; rasche Aenderung der Refraction bei tiefem Stande der Sterne verursacht ahnliche Deformationen in der Richtung der Hohe. Nur auf die Messung des Abstandes zweier einander nahe stehender, gleich heller Sterne, deren photographische Bilder auch gleichen Durchmesser haben, bleiben derartige Deformationen ohne Einfluss, da beide Bilder in gleicher Weise verzerrt werden. Haben die Sterne dagegen sehr verschiedene Helligkeit, so konnen durch Storungen der erwahnten Art, besonders bei kurzen Expositionen, die Bilder der helleren Sterne deformirt werden, wahrend sich bei den Bildern der schwachen Sterne keine Verzerrung bemerkbar macht. 4) Herr Kapteyn halt diese Fehler ftir unwesentlich, wahrend ich ihnen bei Parallaxenbestimmungen, wenigstens sobald es sich um Verbindung von Sternen sehr verschiedener Helligkeit handelt, grossere Bedeutung beilege. Da namlich allein in Folge des Temperaturunterschieds mit dem Wechsel der Jahreszeit auch der Gang des Uhrwerks, welches das Fernrohr treibt, variirt, so konnen systematische Fehler der Rectascensionsunterschiede der hellen Sterne gegen die schwachen auftreten, welche mit dem Gang des Uhrwerks das Vorzeichen wechseln. Bei dem geringen Helligkeitsunterschied der Componenten von 61 Cygni (61" 5m44 ; 6 r2, 69008) 5) kommen diese Deformationen indessen nicht in Betracht. Dagegen legt Herr Kapteyn auf den Stundenwinkelfehler, welcher von der atmospharischen Dispersion der Sternbilder herriihrt, besonderes Gewicht. Ueber die Ver-' ) Publications of the astronomical laboratory at Groningen. ' ) Publicationen des Astrophysikalischen Observatoriums zu l'otsdam. Bd. I I . ' ) a. a. 0. Public. d. Astr. Obs. S. 4. 6, Miiller und Kempf, l'hotometrische Durchmusterung des nordlichen Himmels, enthaltend alle Sterne der BD. bis zur Grosse 7.5. 1900. Sitzungsberichte der Konigl. Preuss. Akademie der Wissenschaften zu Berlin. 1893. Publicationen des Astrophysikalischen Observatoriums. Bd. I 3.
doi:10.1002/asna.19001540102
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