Ueber die Einwirkung von Blutkohle auf die Magenverdauung
H. Strauss
1916
Deutsche Medizinische Wochenschrift
Der gegenwärtige Krieg hat infolge der zahlreichen im Felde entstandenen Enteritiden ein besonderes Interesse für die Adsorbentien gezeitigt. Sind doch die Adsorbentien, so vor allem Bolus alba und Tierkohle, gerade in den letzten Jahren als außerordentlich wirksame Mittel zur Behandlung infektiöser Darmerkrankungen, insbesondere bei Ruhr und Cholera und anderen mit stärkerer Giftbildung einhergehenden Enterobazillosen als besonders wirksam empfohlen worden, und haben sich doch die Hoffnungen,
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... ie man noch vor einigen Jahrzehnten auf die Desinfektionsbehandlung bazilärer Darmkatarrhe gesetzt hatte, in keiner Weise erfüllt. Von zahlreichen Stellen, insbesondere aus Lazaretten, ist, wie ein Blick in die medizinischen Zeitschriften zeigt, im letzten Jahre der Bolusund Kohiebehandlung infektiöser Enteritiden große Anerkennung gezollt worden, und auch ich habe mich, wie ich schon an atideren Stellen) ausgeführt habe, von den Vorzügen 1)1, c 2)1 c 3) Ther. d. Gegeaw. 1904. November-Heft aus MUnch. Jahreskurse für ärztl. Fortbildung 1916. Märzhef t. TSCHE MEDIZINISCHE VOOHSOIF. r. 2 dieser Behandlungsmetliode, vor allem bei zahlreichen Fällen von Ruhr, die ich im letzten Jahre zu sehen bekommen habe, überzeugen können. Ich habe dabei die Kohiebehandlung noch mehr schätzeii gelernt als die Bolusbehandlung, die ich früher vielfach geübt habe, und zwar besonders in der Form der Blutkohle in Gestalt des Merckschen Präparates "Carbo sanguinis depuratus' ', das in so feiner Verteilung geliefert wird, wie sie dem Ruß zukommt Während bis vor kurzem fast nur Günstiges über diese Behandlung berichtet worden ist, ist von einigen Seiten aber auch auf störende Eigenschaften dieser Behandlung aufmerksam gemacht worden. So hat vor kurzem C. Hirsch bei Gelegenheit der Besprechung der Ruhrbehandlung an dieser Stelle1) geäußert, daß er sich für die Darreichung von Bolus alba und Tierblutkoble nicht begeistern könne, weil diese Mittel auch die Verdauungsfermente adsorbieren und den Appetit ruinieren. Schon vorher hatte, gleichfalls aus der Hirschsehen Klinik, Li chtwitz2) bei einer Besprechung der holerabehandlung darauf hingewiesen, daß durch die Kohle die Magensalzsäure zu eineni nicht unbeträchtlichen Teil und zu einem noch größeren Teil die Verdanungsfermente adsorbiert und der Appetit in unangenehmer Weise geschädigt werden können. Auch Go ppe rt3) hebt hervor, daß die Mercksehe Tierblutkohle den großen Nachteil habe, die VcrdauungSfermeflte zu adsorbieren, und daß die Folge hiervon schwere Appetitlosigkeit sei. Deshalb schien es mir wichtig, die Frage, bis zu welchem Grade die Kohle tatsächlich eine schädigende Wirkung auf die Verdauung ausübt, im Experiment zu studieren. Die betr. Versuche sollten zeigen, ob die angegebenen Schattenseiten der Kohiebehandlung wirklich so groß sind, daß künftighin Anlaß vorliegt, ihren Gebrauch einzuschränken. Untersuchungen dieser Art schienen mir auch deshalb wichtig, weil wir, wie ich schon an anderer Stelle dieser Wochen-schrift4) ausgeführt habe, Grund zu der Auffassung haben, daß durch eine Schädigung der Magenverdauung auch die Abheilung von Darmerkrankungen, speziell von Dysenterieerkrankungen, erschwert und verzögert werden kann. Mit einer solchen Möglichkeit lassen fremde (Porges5), Roubitschek und Laufberger6)) und eigene Erfahrungen über Beziehungen zwischen sekretorischer Insuffizienz des Magens und Ohronischwerden der Dysenterie rechnen. Untersuchungen über die Einwirkungen der Kohle auf die Magenverdauung wurden weiterhin auch noch durch die Erwägung angeregt, daß die Kohiebehandlung ein sehr gutes Mittel für die Hyperaziditäts-und Hypersekretionabehandlung abgeben muß, falls sie wirklich in deutlicher Weise die Menge der Salzsäure und der Fermente jm Magen herabsetzt. Die zur Beurteilung der vorliegenden Frage bisher üuSgeführten Experimente sind fast sämtlich in vitro ausgeführt (Lichtwitz7), Lichtwitz und Greef8), Israeljantz)) und ergaben je nach der angewandten Versuchsanordnüng eine mehr oder weniger starke Adsorption von Salzsäure und Pepsin. Nur ein Versuch von Lichtwitz und Greef ist in der Weise angestellt worden, daß neben einem Probefrühstück ein Vergleichs-Probefrühstück mit Zusatz von 5 g Blutkohle verabreicht wurde. In dem betreffenden Versuch sank die Gesamtazidität von 64 auf 30, die freie HOi von 48 auf 15, und auch die peptische Wirkung zeigte deutliche Differenzen. Mit Rücksicht auf diese Ergebnisse habe ich einige neue Versuche in der Weise angestellt, daß ich Magensaft eine Stunde lang mit Tierkohie in den Brutofen stellte, das Gemisch alle zehn Minuten umschütteln ließ und das Verhalten der freien Salzsäure, der Gesamtsäure und den Fermentgehalt (letzteren nach der Edestinmethode von Fuld) vor Beginn und nach Schluß des Versuches bestimmte. Eine zweite Vorsuclisreihe habe ich in der Weise ausgeführt, daß ich bei einigen Patienten unter den gleichen Bedingungen ein Probefrühstück das eine Mal mit 15 g Tierblutkohle (Carbo sanguinis depuratus Merck), das andere Mai ohne diese verabfolgte. Die beiden Versuchsanordnuugen, von welchen mir die zweite für die Beurteilung
doi:10.1055/s-0028-1134914
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