Wir Mündigen

Hans Widmer
2015
Nutzungsbedingungen Die ETH-Bibliothek ist Anbieterin der digitalisierten Zeitschriften. Sie besitzt keine Urheberrechte an den Inhalten der Zeitschriften. Die Rechte liegen in der Regel bei den Herausgebern. Die auf der Plattform e-periodica veröffentlichten Dokumente stehen für nicht-kommerzielle Zwecke in Lehre und Forschung sowie für die private Nutzung frei zur Verfügung. Einzelne Dateien oder Ausdrucke aus diesem Angebot können zusammen mit diesen Nutzungsbedingungen und den korrekten
more » ... unftsbezeichnungen weitergegeben werden. Das Veröffentlichen von Bildern in Print-und Online-Publikationen ist nur mit vorheriger Genehmigung der Rechteinhaber erlaubt. Die systematische Speicherung von Teilen des elektronischen Angebots auf anderen Servern bedarf ebenfalls des schriftlichen Einverständnisses der Rechteinhaber. Haftungsausschluss Alle Angaben erfolgen ohne Gewähr für Vollständigkeit oder Richtigkeit. Es wird keine Haftung übernommen für Schäden durch die Verwendung von Informationen aus diesem Online-Angebot oder durch das Fehlen von Informationen. Dies gilt auch für Inhalte Dritter, die über dieses Angebot zugänglich sind. Ein Dienst der ETH-Bibliothek ETH Zürich, Rämistrasse 101, 8092 Zürich, Schweiz, www.library.ethz.ch http://www.e-periodica.ch POLITIK & WIRTSCHAFT SCHWEIZER MONAT 1026 MAI 2015 Wir Mündigen Die Gesinnung der Bürger ist das Schicksal der direkten Demokratie. Ein Essay. von Hans Widmer Vorgeschichtlich lebten Menschen in Sippen und Stämmen und mit ewiggleichen Regeln, die über Jahrtausende das Überleben sicherten. Überschüsse gab es keine, folglich auch keine wirtschaftliche und damit kulturelle Entwicklung. Die Kompetenzen der Häuptlinge gingen in der Erfüllung ihrer Aufgaben auf, und eine individuelle Entfaltung der Mitglieder war nicht vorgesehen. Rituale und Kulte erstickten allen Gestaltungsfreiraum, und die beste Position, die einer einnehmen konnte, war jene des perfekten Bewahrers. Jacob Burckhardt: «Ihre Barbarei ist ihre Geschichtslosigkeit und vice versa.» Anonyme Gesellschaften Entwicklung trat erst ein, als sich grössere Aggregate von Sippen bildeten, die sich als existenzielle, unter anderem kriegführende, Einheiten organisierten. Dies verwandelte individualisierte in anonyme und zunehmend arbeitsteilige Gesellschaften. Diese Transformation störte die als unabänderlich geltende soziale Kontrolle und das Gleichgewicht von Kompetenzen und Aufgaben; insbesondere bedurfte es der Führung auf einer Abstraktionsebene, für die die genetisch fixierte Intuition allein keine Basis mehr bot (pro memoria: der genetische Unterschied zwischen Mensch und Schimpanse ist nicht grösser als zwischen Löwe und Tiger). Die Führung brauchte Macht, um die menschlichen Kräfte auf die Zwecke des neuen Ganzen zu fokussierenund missbrauchte sie umgehend für ihre eigenen Zwecke. Die Geschichte präsentiert sich als Protokoll eines permanenten Ausbeutens und Bevormundens: Eine Oberschicht von einem Prozent der Bevölkerung konsumierte von der Antike bis in die Neuzeit die Hälfte aller Güter. Jedoch kann dem verdorbenen Herrscher kein guter entgegengestellt werden, weil dieser im Augenblick, da er die Macht erhält, selbst zu verderben beginnt (was beweist, wie weltfremd
doi:10.5169/seals-736116 fatcat:ctlpxkejrnfgzbemifznl2yebe