2. Kapitel. Nachbar gebiete
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1980
Allgemeiner Teil
Entsprechend den Anschauungen, die oben § 3 Z. 2. über den Inhalt des Staatsrechts entwickelt wurden, muß es im Sinn einer Begrenzung der eigenen Ordnung und der rechtlichen Überwirkung fremder Ordnungen auch ein internationales Staatsrecht als ein Stück positiven Rechts geben \ Grenznormen. 2. Kap. Nachbargebiete. Entsprechend der Artgleichheit mancher Bestimmungen des Staatsrechts mit Sätzen andrer Gebiete des öffentlichen Rechts fehlt es aber auch nicht an Grenznormen, die über den
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... n Organismus hinaus nach außen gerichtet sind und Verhaltensvorschriften für den Privatmann oder für Staatsorgane in ihrer Beziehung zu Privaten den Geltungsbereich anweisen. Art. 132 der Reichsverfassung verpflichtet jeden Deutschen, ehrenamtliche Tätigkeit zu übernehmen, in den Vereinigten Staaten kennt man auch den Wohnsitz als Bestimmungsgrund für solche Auflagen®. Belgien hat die Wahlpflicht eingeführt: sie bindet die belgischen Staatsangehörigen (belgischen Wohnsitzes; doch dies letztere ist sachliche Regelung). Daß irgendeine Sonderbeziehung zwischen Bürger und Staatsorgan den formellen Schutz des Verfassungsrechts gefunden hat, gibt ihr wohl verstärkte Sicherheit, ändert aber nichts an ihrem Inhalt und beläßt der Regelung die Reichweite, die ihr sonst zukommt. Der Umfang, in dem das Postgeheimnis bindet, wird durch das internationale Postverwaltungsrecht bestimmt (vgl. dazu oben 3 II 8 f., 19), und es änderte an diesem Geltungsbereich nichts, als die Wahrung des Postgeheimnisses in Deutschland 1919 unter die Grundrechte der Verfassung aufgenommen, wurde. Nur mag es sein, daß die Gewährung des Verfassungsschutzes als ein Indizium verwertet werden kann, einem Rechtssatz zwingende Bedeutung zuzuschreiben, die bei jeder Berührung mit der Staatsgewalt wirksam wird, wie das oben 1, 380 für die Gewissensfreiheit festgestellt wurde. Es gibt unechte Fälle internationalen Staatsrechts, bei denen es sich zwar darum handelt, räumlich nebengeordnete Staatsrechtssätze voneinander abzugrenzen, bei denen aber die eine und die andre der verschieden gestalteten Regelungen auf demselben Willen beruht (also nicht, was Kennzeichen allen wirklichen Grenzrechts ist, autonome Rechtskreise sich voneinander abscheiden). So unterstellt das deutsche Recht die Reichsbeamten in Ermangelung reichsrechtlicher Vorschriften den landesrechtlichen Bestimmungen über Beamtenhaftung, und da diese innerhalb des Reichs verschieden sind, erhebt sich dabei die Frage, welche der Vorschriften (stets eine, und nur eine) auf einen Tatbestand Anwendung findet. Die Rechtsprechung verweist in der Regel auf das Recht des Lands, in dem sich der Tatbestand ereignet hat, es ist zuweilen auch auf den Wohnort des Beamten ab-* Über die einzelnen Arten öffentlicher Dienstleistung, Wehrpflicht, Zeugenpflicht, Schöffenpflicht, Verpflichtung Nothilfe zu leisten, Ämter der Arbeiterversicherung zu übernehmen usw. in den besonderen Rechtsteilen. Die Pflicht zur Übernahme von Gemeindeämtern, zusamt den Zweifeln, ob sie durch origo oder domicilium bestimmt werde, war bei den italienischen Juristen des Mittelalters zu einem gleichartigen Problem geworden.
doi:10.1515/9783112329009-006
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