Zur Funktion eines Zusammenschlusses gesellschaftskritischer Juristen - Gegenthesen zu H. Ridder
Ulrich K. Preuß
1971
Kritische Justiz
Die hier abgedruckte Rede Ridders wurde auf einem vorbereitenden Treffen von Juristen gehalten, auf dem die Möglichkeit der Organisation gesellschaftskritischer Juristen -möglicherweise als deutsche Sektion der Association internationale des juristes democrates -diskutiert wurde. Unbeschadet ihres vom Autor improvisierten Charakters, den·· auch dieser Kommentar für sich in Anspruch nehmen muß, handelt es sich doch bei ihr um einen wesentlichen und gewollten Beitrag zur politischen Strategie
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... immter Gruppen innerhalb der Intelligenz und wird hier vor allem von diesem Anspruch her diskutiert. Auch wenn man sich an Juristen adressiert und Möglichkeiten ihrer Organisierung erörtert, ist es höchst problematisch, die gesellschaftliche Entwicklung als Verfassungsentwicklung zu analysieren, selbst wenn sie als eine Entwicklung der ,.Demokratieverhinderung« dargestellt wird. »Demokratieverhinderung« setzt eine demokratische Bewegung voraus, die durch eine demokratisch nicht legitimierte herrschende Gesellschaftsklasse unterdrückt wird. Die konkreten Klassenverhältnisse und -kämpfe nach dem Zusammenbruch des deutschen Faschismus hätten somit etwas über demokratische Chancen bzw. Demokratieverhinderung aussagen können. Ridder spricht dagegen von der "Umfunktionierung des Parlaments zum Legalisierungsinstrument für andernorts vollzogene Entscheidungen« und ,.allen sonstigen Bewegungen der Demokrativerhinderung«, so, als hätte z. B. die von ihm evozierte» Vitalisierung des Parlamentarismus durch Untersuchungsausschüsse« je ein reales Moment einer Demokratisierung werden können: Ridder selbst läßt es offen, ob ein parlamentarischdemokratisches Deutschland nach 1945 überhaupt eine Chance hatte und hält Spekulationen darüber für »nahezu müßig«. In der Tat kommt es darauf nicht an: angesichts der geschichtlichen Erfahrungen mit dem Faschismus und der Erkenntnis seiner ökonomischen Bedingungen konnte demokratischer Kampf nur antikapitalistischer Kampf bedeuten, dessen demokratischer Gehalt sich nicht nach dem Umfang der Befugnisse einer repräsentativen Volksversammlung bemaß, sondern danach, in welchem Umfang und unter welchen Bedingungen es möglich war, die private Verfügung über den gesamtgesellschaftlichen Produktionsapparat abzuschaffen. Zur Aufarbeitung dieses historischen Komplexes sei die soeben erschienene Schrift von U. Schrnidt/T. Fichter zur Lektüre empfohlen: Der erzwungene Kapitalismus. Klassenkämpfe in den Westzonen 1945-r948. Berlin-W 197I. Demokratieverhinderung war somit Aufrechterhaltung der privaten Verfügung über den gesamtgesellschaftlichen Produktionsapparat. Demokratieverhinderung im Ridderschen Sinne der Austrocknung des Parlamentarismus oder der Nichtanwendung des Sozialisierungsar~ikcls -einer Ermächtigung zu partiellen administrativen sozialisierenden Maßnahmen -stellt sich dabei lediglich als eine zwar
doi:10.5771/0023-4834-1971-4-378
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