Experimentelle Studien über die Eklampsie

W. Weichardt
1902 Deutsche Medizinische Wochenschrift  
am staatlichen bygieiiisehen Institut in Hamburg. In meinem am 19. Oktober 1901 in der Gesellschaft für Naturund Heilkunde zu Dresden gehaltenen, in No. 52 der Münchener medizinischen Wochenschrift 1901 veröffentlichten Vorträge "Ueher die moderne Immunitätsiehre" werden bereits die Ergebfisse meiner experimentellen Studien iiber die Eklampsie folgendermaassen erwähnt: "Eine zweite regulatorische Einrichtung, die eine etwaige Autotoxinbildung im Organismus unschädlich macht, ist sicher die
more » ... tige Bildung von Antitoxinen. Fehlt die Antiautotoxinbildung oder ist sie mangelhaft, so werden die Autotoxine ihre schädliche Wirkung entfalten künnen. Versuche, die augenblicklich am hiesigen pathologischen Institute im Gange sind, scheinen dafür zu sprechen, dass bei der Eklampsie dieser Faktor eine wesentliche Rolle spielt. Ich möchte mir erlauben, auf diese Versuche noch ganz kurz einzugehen. Durch Schmorl's Untersuchungen über Eklampsie wurde nachgewiesen, dass sich in den Gefässen Eklamptischer auffallend viele aus der Placenta stammende Elemente, die Syncytialzellen, vorfinden. Nun haben die Forschungen selbst namhafter Bakteriologen, die darauf gerichtet waren, etwaige Erreger der Eklampsie zu finden, nie zu einem befriedigenden Resultat geführt. Nicht mit Unrecht konnte man daher im Sinne der modernen Immunitätsiehre vermuthen, dass auch hier bei der Eklampsie die Cytotoxine eine Hauptrolle spielen. In der That haben wir bei Kaninchen, bei denen wir die a.ntikörperbildende Fähigkeit des Organismus durch einen Kunstgriff zu umgehen wussten, durch Injektion von Placentarelementen Leberveränderungen erzeugt, die denen bei der menschlichen Eklampsie frappant ähnlich sind. Untersuchungen zu einem ferneren Ausbau und einer weiteren Bestätigung dieser Befunde sind augenblicklich noch im Gange." Leider mussten in Folge äusserer Verhältnisse diese Untersuchungen unterbrochen werden. Immerhin habe ich doch nicht länger gezögert, die bisherigen Resultate derselben zu veröffentlichen, namentlich auch um deswillen, weil Forscher wie Veit und Scholten, welche, wie aus ihrer kurzen Veröffentlichung in No. 7 des Centralblatts für Gynäkologie 1902 hervorgeht, inzwischen die gleiche Aufgabe in ähnlicher Weise zu lösen bemüht gewesen sind, "an die Mitarbeit anderer appelliren, damit die Eklampsieätiologie gefördert werde." Bevor ich jedoch die Thierexperimente, auf welche meine Eklampsiest.udien fussen, des genaueren beschreibe, dürfte es zweckmässig sein, vorerst ein kurzes Resumé zu geben fiber den Stand der Eklampsiefrage, und zwar auf Grund der Giessener Verhandlungen der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie im Jahre 1901, durch welche dasjenige, was wir über diese Krankheit wissen, festgelegt und eine Basis geschaffen wurde, auf der die weiteren Forschungen weiter bauen können. Aus diesen Giessener Verhandlungen ist namentlich der Vortrag Schmorl's hervorzuheben, in dem überzeugend ausgeführt wird, dass der pathologisch-anatomische Befund bei an Eklampsie Verstorbenen trotz mancher Verschiedenheit im einzelnen als ein nahezu typischer, einheitlicher gelten darf.
doi:10.1055/s-0028-1138901 fatcat:f2adyv5uavhijear475wleacaa