Maria Ward als Europäerin

Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz
2015
Maria Ward gehört in die Geisteskämpfe des 17. Jahrhunderts, die Europa in lang wierige, lähmende Bruderkriege führten und Mitteleuropa, vor allem Deutschland, zum zerwühlten Kampfplatz machten. Dort versuchte die "Jesuitin" mit einem Bil dungsprogramm für Frauen zu wirken -unter endlosen Mühen, die ihre eigentliche Frucht erst weit später einbrachten. Tief in ihre geistige Haltung führt die Unterwer fung unter "Rom" als Band der Einheit und Heilmittel der zerrütteten Epoche. Maria Ward ist als
more » ... Beitrag Englands zu der Generationen und Nationen übergreifenden Ge genreformation auf dem europäischen Festland zu begreifen. Dem Andenken meiner Tante M. Petronilla Welz Iß MV (1904-1972), Augsburg "Zivilisation, und damit meine ich nicht Kinos und Dosennahrung, nicht einmal Chirurgenkunst und Hygiene, sondern das ganze moralische und künstlerische Geflecht, das Europa ausmacht, hat nicht aus sich selbst heraus die Kraft zum Überleben. Das alles trat durch das Christentum ins Leben und ohne dieses hat es keine Bedeu tung und keine Kraft, Gefolgschaft zu verlangen." Evelyn Waugh1 Das Europa der Glaubenskämpfe Der große, in Kürze seliggesprochene Landsmann Maria Wards, John Henry Kardinal Newman (1801-1890), dem die katholische Kirche Englands ihren "zweiten Frühling" verdankt, formulierte den Geist des 16. Jahrhunderts in Europa im Blick auf seinen Lieb lingsheiligen Philipp Neri (1515-1595) folgendermaßen: Er "lebte in einem Zeitalter, das so treulos gegen den Katholizismus war wie nur irgendein früheres oder späteres. Er lebte zu einer Zeit, wo der Stolz sich hoch erhob und die Sinne die Herrschaft führten; eine Zeit, wo Könige und Edle niemals mehr von Pracht und Anse hen hielten und niemals weniger von persönlicher Verantwortung und Gefahr; wo der Win ter des Mittelalters wich und die sommerliche Sonne der Zivilisation tausend Formen über schwenglichen Genusses zu Laub und Blüten brachte; wo eine neue Gedanken-und Schönheitswelt sich vor dem menschlichen Geist aufgetan hatte durch die Entdeckung der Schät ze der klassischen Literatur und Kunst. Er sah die Großen und die Begabten, geblendet von der Zauberin und von dem Zaubertrank ihres Gesanges trinkend; er sah die Hohen und die Weisen, Studenten und Künstler, Malerei, Poesie und Skulptur, Musik und Architektur in ihren Reigen gezogen und um den Abgrund kreisend; er sah heidnische Formen von dort aufsteigen und in der dicken Luft Gestalt annehmen -all das sah er, und er erkannte, daß man dem Unheil begegnen müßte ..."2
doi:10.5282/mthz/4526 fatcat:icg2pts5ujdndmbjtcijteo3py