Die Lösungsverhältnisse bei Pneumonia fibrinosa und Pneumonia tuberculosa sive caseosa
V. Schläpfer
1906
Lung
Zu denjenigen Krankheitsbildern, die durch die quantitativen Umsetzungen, welche sich in ihrem u vollziehen, vor allem die Aufmerksamkeit des Klinikers, Pathologen und Physiologen auf sich lenken, gehSrt unter andern zuerst das der Pneumoniafibrinosa. Die in wenigen Tagen in der Lysis sich vollziehende Gewichtsverminderung vom Stadium der grauen Hepatisation zu dem der vollzogenen Resolution, ist eine der aufl~lligsten, quantitativen~ chemischen Leistungen, die die Biologie des menschlichen
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... nismus aufzuweisen hat. --Durch diese LSsung des Exsudates steht die Pneumonia crouposa im schroffsten Gegensatz zu einem in gewissen Beziehungen ~hnliche Symptome 1) aufweisenden, ebenfalls entziindlichen Lungenprozess, der Pneumonia tuberculosa sive caseosa, die geradezu durch das Fehlen dieser Erscheinung pathologisch-anatomisch gekennzeichnet ist. Denn das in vielen F~llen auch betr~chtliche Exsudat bleibt hier bestehen und verwandelt sich aus bisher noch nieht einwandsfrei festgestellten Griinden in die eigentfimliche, an K~se erinnernde Masse urn, deren Vorhandensein im allgemeinen mit ziemlicher Sicherheit einen tuber-kulSsen Prozess vermuten l~sst. Die Ursache dieses verschiedenartigen Verhaltens scheint auf den ersten Blick auf der Hand zu liegen. Es ist zweifellos die Versehiedenheit der Krankheitserreger, des Diplococcus pneumoniae und des Bacillus tuberculosis, zwei in ihren Lebens~usserungen relativ sehr voneinander abweichenden Mikroorganismen. Allein trotz der 1) v. Mering, Lehrbuch der inneren Medizin. II. Aufl. 44 V. Schliipfer. [2 Annahme, die Lfsungsverh~ltnisse seien durch die Spezifit~t der Krankheitserreger bedingt, ist damit im Grunde genommen doeh keine eigentliche Erkliirung gegeben. Denn erstens kann wohl die Spezifit~t das Grundmoment sein, allein der Weg, auf dem sich deren Einfluss zeigt~ bietet verschiedene Richtungen, zweitens kann trotz des Vorhandenseins der beiden Bakterien in beiden Fiillen doch einmal die Lfsung des pneumofibrinfsen Exsudates ausbleiben oder die Resolution der pneumotuberkulfsen Entziindungsprodukte eintreten, d. h. die Reaktion des Organismus auf die Bakterienwirkung kann variieren, und drittens ist Verk~sung wohl ein sehr wahrscheinliches, allein nicht monopolisiertes Kriterium der Tuberkulose, indem sie auch bei nicht tuberkulfsen Krankheitsprozessen, wie der Lues z. B., auftritt. Es ist deshalb yon verschiedenen Seiten der Wunsch geKussert und der Versuch gemaeht worden, naeh einem weitern oder vielmehr tiefern Kausalmoment fiir die Lysis zu suchen. Denn w~ihrend man sich in der rein bakteriologischen Ara mit dem Hinweis auf die Verschiedenartigkeit der Bakterien zufrieden geben konnte, wurde durch die in neuerer Zeit wieder mehr in den Vordergrund getretenen Forschungen, die mehr die dem Organismus eigenen Schutzkr~fte beriichsichtigen, tier Wortlaut der Frage etwas anders gestellt. Die Untersuchungsergebnisse fiber autolytische Prozesse berechtigen dazu, die Lfsung der Aufgabe auch auf diesem Wege zu versuchen. Von Aufrecht, Naunyn, Hofmeister u. a. wurde zum erstenMale deutlich ausgesprochen, dass man unter dem Resolutionsvorgang der Pneumonia fibrinosa einen bestimmten peptonisierenden Chemismus verstehen miisse. In seiner Arbeit ,l)ber die Lfsungs-vorg~inge bei der krupfsen Pneumonie" modifiziert Simon*) diesen peptonisierenden Prozess dahin~ dass er ihn unter den yon S a lkows k y~ Hofmeister, Jacoby etc. n~her pr~zisierten Begriff der Autolyse stellt und S. 623 als h~ichst wahrscheinlich annimmt, dass ,wenn irgendwo im Kfrper absterbendes Gewebe sich finder, in den absterbenden Zellen Vorrichtnngen ausgebildet werden, die einen voll-sti~ndigen Zerfall des abgetfteten Materials einleiten". Solch absterbendes Gewebe aber wii, re nach ihm das pneumonische Exsudat. Da nun dieses aber nicht nur aus Zellen~ sondern auch aus nicht organisiertem Fibrin besteht, so ist die S i me nsche Erkl~irung streng genommen nicht ganz befriedigend. Die fehlende Liicke nun wird vollkommen erg/inzt dutch die Anschauung Friedrieh M iille r s 3).
doi:10.1007/bf02204558
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