IV. Wergeld und Stand

Paul Vinogradoff
1902 Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte Germanistische Abteilung  
vormals ordentlichem Professor an der Universität Moskau. Als eine interessante Entwickelung in der rechtshistorischen Litteratur der letzten Jahre erscheint eine Reihe von Untersuchungen, welche, ohne direkten Zusammenhang untereinander, von verschiedenen Seiten an die Frage über die ständische Entwickelung des früheren Mittelalters herantreten und die üblichen Ansichten über diese Frage beanstanden. Obgleich keineswegs in allen Punkten übereinstimmend, haben doch Hecks "Wittichs 2 ) und Ernst
more » ... Mayers 3 ) Ausführungen insofern manches Gemeinsame, als sie die Vorstellungen von der breiten Grundlage germanischer Gemeinfreiheit, aus welcher sich die späteren, mannichfaltig abgestuften ständischen Kreise entwickelt hätten, in Zweifel ziehen und zerlegen. Für den einen bleibt der Begriff der Gemeinfreiheit wohl bestehen, aber er verengt sich zu einer eigentümlichen Nobilität, welche von der minderen Freiheit scharf getrennt wird. Der andere stellt sich die Gesellschaft des Tacitus und der Yolksrechte als einen von Knechten und Hintersassen umgebenen Kreis von Grundherren vor. Für den dritten geht durch die Geschichte des früheren Mittell ) Ph. Heck, Die Gemeinfreien in den karolingischen Yolksrechten. Ich werde mich auf dieses Werk berufen, weil in ihm Manches , was in dem früheren Buche über die Altfriesiche Gerichtsverfassung (1894) behauptet wurde, weiter entwickelt und theilweise verändert erscheint, und auch die Kritiken der Gegner berücksichtigt werden.s ) W. Wittich, Die Grundherrschaft in Nord Westdeutschland. 1896. Die Frage der Freibauern in der Z. f. R.-G. XXII (1901). -») Ernst Mayer, Deutsche und französische Verfassungsgeschichte vom 9. bis zum 14. Jahrhundert. 1899. Brought to you by | University of Glasgow Library Authenticated Download Date | 6/26/15 4:16 AM ') F. Seebohm, Tribal Custom in Anglo-Saxon law. 1902. -2 ) H. Brunner, Nobiles und Gemeinfreie in den karolingischen Volksrechten, Z. f. R.-G. XIX (1898). Brought to you by | University of Glasgow Library Authenticated Download Date | 6/26/15 4:16 AM Und zwar habe ich Hecks Aufstellungen besonders berücksichtigt. Brought to you by | University of Glasgow Library Authenticated Download Date | 6/26/15 4:16 AM ') Die beste Illustration zu dieser Uebereinstimmung der Wergeidsätze bietet L. Rip. 36, welche die Wergelder der Hauptstämme des fränkischen Reichs ihren Ueberlieferungen getreu und in derselben Wertheinheit des Solidus ausdrückt. Die kleine Abweichung in Bezug auf den Burgunder, welcher statt der 150 einheimischen mit 160 ripnarischen Solidi taxirt wird -in augenscheinlicher Uebereinstimmung mit den Ansätzen des alamannischen und baierischen Rechts, bestätigt Brought to you by | University of Glasgow Library Authenticated Download Date | 6/26/15 4:16 AM ') Prou, Monnaies mérovingiennes, Intr. CIV. Cf. Soetbeer, Beiträge, I, 274, 275. -2 ) Ygl. die Bemerkungen von Prou über die Münzung der Goldstücke, M. M., LXIII. -3 ) Ueber den Charakter der Silberprägung des spätrömischen Reichs als Scheidemünze s. Mommsen, Geschichte des Münzwesens, 837. Für das Fränkische Reich ist dieser Gedanke am entschiedensten von Grote ausgesprochen worden. -*) Beiträge, Forsch. II, 307, 308; IV, 254. Brought to you by | University of Glasgow Library Authenticated Download Date | 6/26/15 4:16 AM ') Die Goldmünzen litten allerdings auch in den Händen der Münzer, aber ihre Prägung hielt sich doch an das Vorbild der Oströmischen Kaisermünzen, welche nicht in dem Mafse verfielen. Vgl. Soetbeer, 1,613. Prou, Monnaies Carolingiennes, XXVI. Die Thatsachen werden anders bei Inama-Sternegg, Deutsche Wirthschaftsgeschichte, I, 451 ff. combinirt, Soetbeers Darstellung scheint mir aber in mancher Hinsicht überzeugender zu sein, nur dass er der salischen Berechnung der Denare zu viel zumuthet und dem mitunter ausgesprochenen Gedanken, dass diese Denare im Grunde nur eine Scheidemünze abgeben, nicht die gebührende Geltung verschafft. Deshalb bleibt ihm auch die Wendung, welche die Denarprägung am Schluss der Merovingerperiode erfährt, ein Räthsel, IV, 282. Vgl. den bezeichnenden Widerruf IV, 258. Zeitschrift für Kechtsgeschichte. ΧΧΙΠ. Germ. Abth. 9 Brought to you by | University of Glasgow Library Authenticated Download Date | 6/26/15 4:16 AM ') L. Cham. 42 : si quis Francus homo habuerit Alios, hereditatem suam de sylva et de terra eis dimittat, et de mancipiis et de peculio. De materna hereditate similiter in filiam veniat. -2 ) Vgl. Brunner, Kritische Bemerkungen zur Geschichte des germanischen Weibererbrechts. Z. f. RG. XXI, 18, von dem ich übrigens in Bezug auf den vorwiegenden Anspruch der Töchter auf ihrer Mutter Erbe abweiche. Söhne und Töchter werden, meiner Ansicht nach, als die nächsten und gewöhnlichsten Erben in Betracht gezogen. -*) L. Chamav. 12: qui per cartam aut per hantradam ingenuus est .... Brought to you by | University of Glasgow Library Authenticated Download Date | 6/26/15 4:16 AM
doi:10.7767/zrgga.1902.23.1.123 fatcat:fwjwicbyrra3zl4ybvgg4jl5iq