Ansprache zur Eröffnung der Gauß- Gedenkfeier in Braunschweig am 20. Februar 1955
Leo Pungs, Universitätsbibliothek Braunschweig
1955
Meine Herren Präsidenten und Staatssekretäre, Meine Damen und Herren! I~h grüße die festliche Versammlung! Ich grüße sie im Namen und im Auftrage der Veranstalter: des Hohen Rats der Stadt Braunschweig, der Technischen Hochschule Carolo-Wilhelmina und der Braunschweigischen Wissenschaftlichen Gesellschaft. Ich heiße Sie alle, meine Damen und Herren, als unsere Freunde aufs herzlichste willkommen. In die Zahl unserer Freunde schließe ich auch unsere Ehrengäste ein und bitte, mir zu verzeihen,
more »
... ich sie nicht einzeln anspreche. Ich danke Ihnen allen, daß Sie gekommen sind, das Andenken des großen Sohnes unserer Stadt zu ehren. Vor hundert Jahren, am 23. Februar 1855, schloß Garl Friedrich Gauß in Göttingen für immer seine Augen. Der äußere Ablauf dieses großen Lebens war schlicht und einfach, es war das Leben eines deutschen Gelehrten und Hochschullehrers. Er wurde am 30. April 1777 in unserer Stadt in einem kleinen Hause in der Wilhelmstraße geboren, das wir Braunschweiger alle kannten,ehe es dem Kriege zum Opfer fiel. Sein Vater (/erhard Dietrich war ein gediegener Handwerkmeister von einfachem, etwas hartem Charakter. Die Mutter, Dorothea Benze, war seine zweite Gattin; sie stammte aus Velpke bei Braunschweig und war die Tochter eines Handwerkers. Sie war eine Frau von natürlicher Klugheit, festem Charakter und heiterem Sinn. Die Quellen des in der Erbfolge plötzlich auftretenden Genies sind nach Annahme der Biographen in der weiblichen Linie zu suchen. So wird ein Bruder der Mutter, der früh verstarb, uns als besonders begabt geschildert. Das mathematische Genie zeigt sich, wie das musikalische, bekanntlich sehr früh. Gauß erzählte später oft scherzhaft, daß er früher rechnen als sprechen konnte. Auch erzählte er noch in seinem Alter mit großer Heiterkeit die den meisten von uns bekannte Geschichte' aus der Rechenklasse. Es sollte eine lange arithmetische Reihe gliedweise addiert werden. Der'kleine Gauß fand die Summenformel und löste sofort die Aufgabe, während die anderen lange rechneten, zum Teil falsch und, wie' Gauß lachend zu sagen pflegte, mit dem "BakeI" des Lehrers "rektifiziert" wurden. Gauß war damals 8 Jahre alt. Die hohe Begabung des Knaben wurde wohl zuerst von dem Lehrer Bartels erkannt, der die Bekanntschaft mit dem Professor Zimmermann vom Collegium Carolinum vermittelte, der für die Förderung des jungen Genies besonders eintrat. Gauß kam auf das Gymnasium in Braunschweig, das Catharineum. Der Herzog Karl Wilhelm Ferdinand hörte von der großen Begabung des jungen Gauß.
doi:10.24355/dbbs.084-201212131312-0
fatcat:utdndrztonac3m6kypnvogpth4