Besprechungen

1916 Orientalistische Literaturzeitung  
name in der Schreibung itu Pap-e-ú-e, die der Erklärung dieses Namens entspricht, die Thureau-Dangin RA VIII, 152, Note 4 geboten hat. Besprechungen. L. y. Schröder: Arische Religion. 1. Bd. Einleitung, Der altarische Himmelsgott, das höchste Wesen. VIII, 618S. 8°. M. 10-; geb.M. 13-. Leipzig, H.Haessell914. Ueapr. von Marie Pancritius, Königsberg i. Pr. (Schluss.) Die Heimat der Arier sucht Verfasser, auf die Ergebnisse der Vorgeschichtsforschung gestützt, mit Recht in Europa (S. 216 f.). Als
more » ... etztes Stadium arischer Völker-und Kulturgemeinschaft hat er das für Europa noch der jüngeren Steinzeit zugehörige vorchristliche vierte Jahrtausend ins Auge gefasst (171 ff). Höchste Anerkennung, begeistertes Lob zollt er den arischen Völkern, ihrer wunderbar entwicklungsfähigen edlen Sprache, die sie überall hintrugen, und die, wo einer ihrer Abkömmlinge herrscht, als Beweis arischen Blutes in den Adern des betreffenden Volksstammes anzusehen ist. (S. 186). Doch scheinen mir von der Geschichte weniger hell beleuchtete und dem Studiengebiet des Verfassers ferner liegende Völker dabei zu sehr im Schatten zu stehen. "Die Arier sind das Volk der grossen Persönlichkeiten" (S. 189). Es folgt eine Reihe von grossen Namen der arischen Welt, welchen nur noch die jüdischen Heroen und Propheten -"die Jahve-Verehrung ist der Adelsbrief des jüdischen Volkes" -und die Religionsstifter der nichtarischen Völker zur Seite gestellt werden. Bei den Semiten wäre also nur Mohammed zu nennen? Ist, wo Alexander und Napoleon gerühmt werden, nicht auch Hannibal nennenswert? Jene zerbrachen mit der Kraft von Volksheeren altersschwache Verhältnisse; dieser zwang mit einem Söldnerheere den jugendlichen Weltherrscher auf die Knie. Zwar hat er uns keine Schriften wie Napoleon hinterlassen. Daher fehlt uns der lebendige persönliche Eindruck. Wir kennen ihn nur aus den Berichten des Feindes, und was das heisst, lehrt die der römischen Geschichtsschreibung wesensverwandte englische Berichterstattung unserer Tage. Und dennoch tritt tins ein edles Bild daraus entgegen: das Bild eines von seinen Kriegern verehrten, von glühender Vaterlandsliebe und unauslöschlichem Hass gegen den Feind erfüllten Feldherrn -sympathischer als das jener beiden ihrer unersättlichen Herrschsucht folgenden Uebermenschen. Und ähnlich steht es mit Hamilkar Barkas. Die Berichterstattung ist es auch, die das persönliche Gepräge der grossen Herrscher der babylonisch-assyrischen Zeit verwischt. Schwerfällige Schrift, stehende Redewendungen, nüchtern gemeldete Tatsachen. Und dennoch treten dem aufmerksamen Leser scharfkantige Umrisse aus jenen Königsannalen entgegen". Assurnasirpal, Tiglatpileser, Sargon, Sanherib, Assurbanipal und viele andere waren grosse Persönlichkeiten. Ebenso Nebukadnezar II, dessen Gebet an Marduk auch ein moderner Fürst bei seiner Thronbesteigung sprechen könnte, und der um die Wende des 3. und 4. Jahrtausends von Künstlerhand an derSpitze seiner Kriegsschar festgehaltenen Eannatum, Sargon I, auchHammurabi, der grosse Gesetzgeber, oder Gudea, der Träger, wahrseheinlich auch Erneuerer sumerischer Ueberlieferung. Und sollte der Künstler, der die Stele Narâm-Sins schuf, keine grosse Persönlichkeit gewesen sein? Vielleicht ein Sumerer 1 . Es ist ein wesentlicher Unterschied zwischen liebevoller, die kleinste Einzelheit ins Auge fassender Betrachtung, wie sie beispielsweise den Völkern des klassischen Altertums in der ganzen gebildeten Welt zuteil wird, und der Schau aus der Vogelperspektive, durch welche das gewaltige, von der Keilschriftforschung erschlossene Gebiet meistens abgetan wird. Wie verschiedenartig die Ergebnisse einer solchen zwiefachen Betrachtungsweise ausfallen, wie sehr Voranstellung der hervorragenden Individuen eine Gemeinschaft hebt, die der allgemeinen Züge hingegen niederdrückt, lehrt am besten der Gegensatz in der Bewertung der Tierpsyche zwischen der schematisch betrachtenden, das Triebleben in den Vordergrund stellenden zoologischen Wissenschaft und der das Individuum -besonders das erfahrene, kapitale Tier -voranstellenden Jagdliteratur. Mögen trotzdem die Arier das Volk der grossen Persönlichkeiten bleiben; nirgend aber in der Geschichte ist der Himmel sterneleer. Und können wir die im Beginn der Gechichte schon alten Völker des alten Orients nach dem, was uns der Zufall aus dem Schutt von Jahrtausenden aufbewahrte, mit den uns im Glanz der Jugend entgegentretenden arischen Völker? des Altertums überhaupt in Vergleich stellenn Wenn wir nur das späte Römer-, Griechen-und Indertum und die Nachkommen dieser Völker in der Neuzeit kennen gelernt hätten, würde uns von Jugendkraft und Jugendlust auch nicht viel entgegentreten. Sumerer und Semiten sind sicher nicht mit historischen Denkmälern, Bauwerken, Inschriften, Herrschernamendamit endeten sie -sondern Lieder singend auf dem Plan erschienen (zu S. 196). Aus der 1 vgl. Memnon Π S. 177. Brought to you by | Nanyang Technological University Authenticated Download Date | 6/12/15 8:21 PM Orientalistische Literaturzeitung 1916 Nr. 10. 302 arabischen Wüste klangen noch lange die Lieder, und wo das im Schatten einer uralten Kultur stehende Semitentum einen neuen Impus anhielt wie bei der Einwanderung in Spanien, da trieb die arabische Volksseele die schönsten Blüten arabischer Poesie und arabischer Kunst. Und die Blume der Romantik, das Rittertum, sie war eine Bekundung des arabischen Genius, und nur in seinem Bereich behielt sie ihren bläulichen Hauch. In Frankreich wurde das Rittertum liederlich, in Deutschland roh; nur die spanische mit der arabischen ständig in "Wechselwirkung bleibendeRitterschaft verdiente den romantischen Nimbus. Aus der Jugendzeit des Alten Orient klingt das Gilgamislied zu uns herüber; das Lied von einem kämpfenden und wandernden, "über die Rätsel des Daseins" grübelnden Helden. Und die Wanderlust liegt dem Semiten noch heute so im Blute wie dem Arier. Zu dem Satz: "Sein (des Ariers) Freiheitsgefühl und Freiheitsverlangen ist aber darum besonders bedeutsam und wertvoll, weil es durchaus auf der Achtung der Freiheit und Selbständigkeit anderer beruht", möchte ich auf das Schicksal Messeniens, auf Rom und seine Sklavenkriege, auf das Bauernlegen der deutschen Ritterschaft, auf die Politik Englands seit Cromwell hinweisen. Die dem Zepter Assurs unterworfenen Völker sanken doch nicht zu der Unfreiheit des Heloten herab, die rechtliche Stellung der Frau war in Babylonien eine würdigere als bei neuzeitlichen arischen Völkern, ein persischer Satrap war kein freierer Mann als ein assyrischer Statthalter, und gab es unter den arischen Fürsten des Altertums einen, der wie der der archaischen babylonischen Zeit zugehörige Urukagina die Beseitigung der Privilegien, die Wiederherstellung der Rechte des Armen anstrebte? In den kleinen freien Gemeinwesen der vedischen Inder, der Germanen, in der griechischen Polis, in der römischen Ci vitas sieht Verfasser auch eine besondere Bekundung des arischen Freiheitsverlangens. Diese Zersplitterung ist aber überall die Folge kriegerischer Einwanderung. Die altbabylonische Zeit kennt nur Kleinstaaterei, und auch die arabische Einwanderung in Spanien führte da,zu. Das Thema dieses ersten Bandes ist der arische Himmelsgott. Von ihm gilt alles, was auch Tiefkulturvölker von ihrem höchsten Wesen aussagen : er wohnt im Himmel, ist unsterblich, hat alle Dinge geschaffen, trägt den Beinamen "Vater", ist selbst gut und verlangt Güte vom Menschen. Wie P. W. Schmidt bei den Tiefkulturvölkern, so kommt Verfasser auch bei den Ariern zu dem Ergebnis, dass
doi:10.1524/olzg.1916.19.16.158 fatcat:lr6avuh6qjfzxn34pqoefucpbe